Deutsche Tageszeitung - Heftige Kritik an Ex-SPD-Chef Gabriel wegen Beratertätigkeit für Tönnies

Heftige Kritik an Ex-SPD-Chef Gabriel wegen Beratertätigkeit für Tönnies


Heftige Kritik an Ex-SPD-Chef Gabriel wegen Beratertätigkeit für Tönnies
Heftige Kritik an Ex-SPD-Chef Gabriel wegen Beratertätigkeit für Tönnies / Foto: ©

Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat wegen einer Beratertätigkeit für den umstrittenen Fleischkonzern Tönnies teils heftige Kritik führender Sozialdemokraten auf sich gezogen. Niedersachsens SPD-Chef und Ministerpräsident Stephan Weil nannte den Vorgang am Donnerstag "befremdlich und peinlich". Die SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans übten indirekte Kritik an Gabriel. Der Ex-Bundeswirtschaftsminister verteidigte seine Beratertätigkeit und wies seinerseits die beiden SPD-Bundeschefs zurecht.

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Über Gabriels Beratertätigkeit für Tönnies hatte zuerst das ARD-Magazin "Panorama" berichtet. Der frühere Bundeswirtschaftsminister war demnach vom vergangenen März bis Ende Mai für den Konzern tätig. Laut "Panorama" erhielt Gabriel offenbar ein Pauschalhonorar von 10.000 Euro im Monat sowie ein zusätzliches vierstelliges Honorar für jeden Reisetag.

Gabriel sagte dazu dem "Spiegel", er könne an dem Beratungsverhältnis mit einem großen Arbeitgeber nichts Problematisches erkennen". "Tönnies macht nichts Verbotenes. Wozu machen wir eine Cooling Down Phase, in der man als Ex-Politiker nichts machen darf, wenn man danach noch so behandelt wird, als sei man im Amt?"

Gabriel verteidigte auch das von Tönnies gezahlte Gehalt in Höhe von angeblich 10.000 Euro monatlich. "Für normale Menschen sind 10.000 Euro viel Geld", sagte der frühere Bundeswirtschaftsminister. "Aber in der Branche ist das kein besonders hoher Betrag. Ich bin kein Politiker mehr." Gabriel betonte, er habe die Tätigkeit für Tönnies "nicht als Lobbyarbeit begriffen" und tue dies auch heute noch nicht.

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte Gabriel, Tönnies habe ihn zwei Jahre nach seiner Ministertätigkeit angesprochen. Zu diesem Zeitpunkt sei er auch nicht mehr Mitglied des Bundestags gewesen. Es gebe daher weder ein rechtliches Problem noch einen Interessenkonflikt.

Niedersachsens SPD-Chef Weil erklärte hingegen in Hannover, seit langem sei bekannt, dass Tönnies "wie kaum ein anderes Unternehmen für die unhaltbaren Verhältnisse in der Fleischindustrie steht". Umso unverständlicher sei, dass Gabriel "einen solchen Beratervertrag abgeschlossen hat". Die SPD habe keine Möglichkeit, auf das Verhalten Gabriels als Privatmann Einfluss zu nehmen. "Der politische Schaden für die SPD ist jedoch unbestreitbar."

Auch Nordrhein-Westfalens SPD-Chef Sebastian Hartmann sagte dem RND, Gabriels Engagement als Tönnies-Berater widerspreche sozialdemokratischen Werten und sei angesichts "seines Wissens um und seine vorherige Kritik an den unsäglichen Arbeitsbedingungen völlig inakzeptabel".

Esken und Walter-Borjans erklärten in einem Statement für das RND, ehemalige SPD-Vorsitzende seien der Partei "keine Rechenschaft schuldig, wenn sie nach ihrer aktiven Zeit Tätigkeiten für andere aufnehmen". Die beiden SPD-Vorsitzenden fügten hinzu: "Für jeden aufrechten Sozialdemokraten ergibt sich dabei aus unseren Grundwerten, an wessen Seite man sich begibt und wo man besser Abstand hält."

Gabriel wies die Kritik von Esken und Walter-Borjans scharf zurück. "Mich wundert das nicht. So sind sie halt", sagte Gabriel dem "Spiegel". "Beide gehören auch zu denen, die heute laut Kritik üben, sich damals aber keinen Deut um die Fleischindustrie gekümmert haben. Ich kann das nicht wirklich ernst nehmen."

Linkenchef Bernd Riexinger warf Gabriel im RND vor, dieser habe "keine Skrupel, als Sozialdemokrat für einen der größten Ausbeuter zu arbeiten". "Es passt auch ins Bild, dass man von ihm nichts gehört hat zu Werkverträgen und zur Vernachlässigung von Schutzbestimmungen."

(A.Nikiforov--DTZ)

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