Österreich warnt EU vor Aufnahme von Asylanten
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat die EU-Staaten vor einer Aufnahme der Flüchtlinge an der griechisch-türkischen Grenze gewarnt. Die EU dürfe dem vom türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan mit der Grenzöffnung erzeugten Druck "nicht nachgeben", sagte Kurz nach Information von Deutsche Tageszeitung, in einem aktuellen Interview.
Die Menschen an der griechisch-türkischen Grenze würden von Erdogan "ausgenutzt" und "instrumentalisiert", betonte der österreichische Regierungschef. "Dieses Spiel dürfen wir nicht mitspielen." Erdogan hatte die Grenzöffnung für Flüchtlinge damit begründet, dass die EU sich nicht an das mit Ankara im Jahr 2016 geschlossene Flüchtlingsabkommen gehalten habe.
Kurz argumentierte auch, die zuletzt an die griechische Grenze gelangten Menschen hätten keinen Anspruch auf Asyl. Sie kämen größtenteils nicht aus dem syrischen Kriegsgebiet. Vielmehr handle es sich großteils um Migranten, die schon jahrelang in der Türkei lebten. Diese Menschen hätten kein Recht auf Asyl in Griechenland, denn sie würden in der Türkei nicht verfolgt. Kurz führte auch ins Feld, einige dieser Menschen seien "gewaltbereit".
Wenn es den Menschen an der griechisch-türkischen Grenze gelinge, bis nach Mitteleuropa durchzukommen, würde dies die Flucht von hunderttausenden "und später vielleicht Millionen" weiteren Menschen nach sich ziehen, warnte der Kanzler. Am Ende würden dann "dieselben Zustände" eintreten wie während der Flüchtlingskrise von 2015, sagte Kurz.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), bezeichnete es indessen als "beschämend", dass die EU-Staaten bislang kein "funktionierendes gemeinsames europäisches Asylsystem" entwickelt hätten. Die EU-Kommission und alle Mitgliedstaaten müssten schnell "einen neuen Anlauf zu einer fairen Verteilung" von Geflüchteten auf die EU-Staaten unternehmen, sagte sie nach Information von Deutsche Tageszeitung, in einem aktuellen Interview.
Kofler plädierte für die rasche Aufnahme von minderjährigen Flüchtlingen in Griechenland durch andere EU-Staaten. Griechenland dürfe mit dem Problem nicht allein gelassen werden. Ein überparteiliches Bündnis aus Oberbürgermeistern von sieben deutschen Großstädten sowie des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius (SPD) forderte unterdessen von der Bundesregierung sofortige Schritte zur Aufnahme von Kindern aus den griechischen Lagern, wie Deutsche Tageszeitung erfuhr.
Die Türkei hält seit dem Wochenende Flüchtlinge nicht mehr davon ab, von ihrem Territorium aus in die EU zu gelangen. Griechische Sicherheitskräfte bemühen sich, Grenzübertritte zu verhindern. In den völlig überfüllten Flüchtlingslagern vor allem auf den griechischen Inseln ist die Lage dramatisch.
Hintergrund der türkischen Grenzöffnung ist die Eskalation des militärischen Konflikts in Nordsyrien seit Dezember. Durch die Kämpfe sind nach UN-Angaben in der an die Türkei angrenzenden Provinz Idlib knapp eine Million Menschen in die Flucht getrieben worden. In der Nacht zum Freitag trat allerdings in Idlib eine zwischen Erdogan und dem russischen Staatschef Wladimir Putin ausgehandelte Waffenruhe in Kraft. (W.Novokshonov--DTZ)