Netanjahu feiert nach Parlamentswahl "wichtigsten Sieg seines Lebens"
Trotz seines bevorstehenden Korruptionsprozesses ist Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als klarer Sieger aus der dritten Parlamentswahl binnen eines Jahres hervorgegangen. Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen erhielt Netanjahus rechtsgerichtete Likud-Partei 29,3 Prozent, die Mitte-Rechts-Liste Blau-Weiß seines Rivalen Benny Gantz 26,3 Prozent. Die politische Zitterpartie könnte jedoch andauern, da der Likud und seine Verbündeten voraussichtlich die absolute Mehrheit im Parlament verfehlen.
Netanjahu erklärte sich noch in der Nacht zum Dienstag zum Sieger. Er habe einen "Riesensieg" errungen, der "alle Erwartungen" übertreffe, sagte der 70-Jährige vor tanzenden und singenden Anhängern, die ihn als "Bibi, König von Israel" feierten. "Dies ist der wichtigste Sieg meines Lebens", sagte der geschäftsführende Regierungschef und mokierte sich über all jene, die "das Ende der Ära Netanjahu vorhergesagt" hätten.
Mit 36 Parlamentssitzen fuhr Netanjahu für den Likud das beste Wahlergebnis seiner langen Amtszeit ein, die Liste Blau-Weiß kommt auf 32 Sitze. Zusammen mit anderen rechten und ultraorthodox-jüdischen Parteien käme Netanjahus Bündnis jedoch nur auf 59 der insgesamt 120 Sitze in der Knesset - zu der für die Regierungsbildung wichtigen absoluten Mehrheit würden zwei Mandate fehlen. Trotzdem dürfte Netanjahu von Präsident Reuven Rivlin mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Likud-Sprecher Jonathan Urich sagte im Armeeradio, seine Partei stehe bereits "mit einigen Abgeordneten des anderen Lagers" in Kontakt.
Gantz räumte ein, dass er "ein anderes Ergebnis" erwartet habe. "Ich teile Eure Gefühle der Enttäuschung und des Schmerzes", rief der frühere Generalstabschef der israelischen Armee Anhängern in Tel Aviv zu. Die Umfragen hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Likud und Blau-Weiß-Liste vorhergesagt. Bei den Wahlen im April und September hatte es zwischen den Lagern von Netanjahu und Gantz ein Patt gegeben. Beide Male war danach eine Regierungsbildung gescheitert.
Die Rolle des Königsmachers könnte ein weiteres Mal Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman zukommen. Seine laizistisch-nationalistische Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) gewann sechs oder sieben Sitze. Lieberman hatte nach der Wahl im September die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit vorgeschlagen. Eine Zusammenarbeit mit den ultraorthodoxen Verbündeten Netanjahus und der Vereinten Liste der arabischen Parteien, die Gantz unterstützte, lehnte er ab.
"In zwei Wochen steht er vor Gericht", sagte Gantz mit Verweis auf das Strafverfahren gegen Netanjahu wegen Betrugs, Bestechlichkeit und Veruntreuung von Geldern. Netanjahu ist der erste amtierende Ministerpräsident in der Geschichte Israels, der unter Anklage steht. Er war erstmals von 1996 bis 1999 Ministerpräsident. 2009 kehrte er in das Amt zurück, das er seither ohne Unterbrechung ausübt.
Beim Obersten Gericht Israels wurde am Dienstagmorgen eine Petition der "Bewegung für eine Qualitätsregierung" eingereicht. Wer der Korruption, der Veruntreuung und des Betrugs beschuldigt werde, "kann nicht die Aufgabe übernehmen, eine Regierung zu bilden", erklärte die Bewegung. "Ein Mann wie er kann nicht als Vorbild dienen und Ministerpräsident sein."
Der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erakat sprach mit Blick auf die ersten Prognosen von einem Sieg für die "Annexion". Die Siedlungspolitik Netanjahus habe gewonnen. Der Ministerpräsident hatte im Wahlkampf die rasche Annexion des strategisch wichtigen Jordantals sowie einer Reihe israelischer Siedlungen im Westjordanland versprochen. Zudem hatte er mehrere Siedlungsbauprojekte im Westjordanland und in Ost-Jerusalem angekündigt.
Die Annexion des Jordantals sowie jüdischer Siedlungen im Westjordanland ist auch im umstrittenen US-Nahost-Plan von US-Präsident Donald Trump vorgesehen. Im Wahlkampf hatte Netanjahu sein gutes Verhältnis zum US-Präsidenten hervorgehoben und dessen Nahost-Plan als sein eigenes Verdienst dargestellt.
Die Palästinenser lehnen die US-Vorschläge vehement ab - auch deshalb, weil darin von Jerusalem als "ungeteilter" Hauptstadt Israels die Rede ist. Die Palästinenser wollen Ost-Jerusalem zur Hauptstadt ihres angestrebten eigenen Staates machen.
(M.Dylatov--DTZ)