Deutsche Tageszeitung - Bundeskriminalamt erwartet steigende Zahl von Verdächtigen nach Reichsbürger-Razzia

Bundeskriminalamt erwartet steigende Zahl von Verdächtigen nach Reichsbürger-Razzia


Bundeskriminalamt erwartet steigende Zahl von Verdächtigen nach Reichsbürger-Razzia
Bundeskriminalamt erwartet steigende Zahl von Verdächtigen nach Reichsbürger-Razzia / Foto: © AFP/Archiv

Nach der Razzia gegen ein mutmaßliches Terror-Netzwerk aus Reichsbürgern rechnet das Bundeskriminalamt mit einer wachsenden Zahl von Verdächtigen. Die Zahl der beschuldigten Mitglieder beziehungsweise Unterstützer sei bis Donnerstag von 52 auf 54 gestiegen und könne noch weiter anwachsen, sagte BKA-Präsident Holger Münch, im ARD-"Morgenmagazin. Das deutsche Staatssystem sei zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen. Nach Angaben des Generalbundesanwalts waren am Donnerstag 23 von 25 Verdächtigen in Untersuchungshaft, vier mehr als am Vortag.

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"Wir haben noch weitere Personen identifiziert, von denen wir noch nicht genau wissen, welchen Status sie im Bezug auf diese Gruppe haben", sagte Münch. "Man muss nicht annehmen, dass eine Gruppe, die eine zweistellige, vielleicht eine kleine dreistellige Zahl umfasst, in der Lage ist, das Staatssystem in Deutschland wirklich in Frage zu stellen", führte Münch weiter aus.

Dennoch sei die Gruppe gefährlich, da sie "irrationalen Überzeugungen" folge. An 50 Objekten hätten Ermittler Waffen und Munition gefunden. "Das zeigt, harmlos ist das nicht", sagte Münch. Am Mittwoch waren Polizei und Generalbundesanwalt bundesweit gegen ein mutmaßliches Terror-Netzwerk aus Reichsbürgern vorgegangen, die einen gewaltsamen Umsturz geplant haben sollen.

25 Menschen wurden dabei festgenommen. Ein bewaffneter Überfall auf den Bundestag sei in konkreter Vorbereitung gewesen, mögliche Tote seien in Kauf genommen worden.

Eine akute Umsturzgefahr habe es durch die festgenommene Gruppe nicht gegeben, sagte auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Mittwochabend in der Sendung "RTL direkt". Die Beschuldigten hätten seit Frühjahr dieses Jahres" unter Beobachtung gestanden. Dennoch sei die Waffen-Affinität in der Szene sehr hoch.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) warnte davor, Anhänger der Szene zu unterschätzen. Wenn Menschen mit militärischer Ausbildung dabei seien, die auch Zugang zu Waffen haben, müsse das ernst genommen werden, sagte Wüst im "Frühstart" der Sender RTL und ntv.

Die Union forderte ein hartes Durchgreifen gegen die Szene. "Die Gruppe hatte konkrete Umsturzpläne unter Inkaufnahme von Gewalt gegen Leib und Leben. Das hat eine neue Qualität", sagte Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) der Düsseldorfer "Rheinischen Post" vom Donnerstag. Reichsbürger und Selbstverwalter seien "alles andere als harmlose Spinner und Verschwörungstheoretiker", warnte sie.

Mit der 2020 eingeführten Regelabfrage der Waffenbehörden beim Verfassungsschutz sei ein wichtiger Schritt zur Entwaffnung von Extremisten unternommen worden, betonte Lindholz. Außerdem sei die Szene zurecht schon 2016 unter bundesweite Beobachtung gestellt worden.

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) rechnete derweil nach den Razzien vom Mittwoch mit weiteren Festnahmen. Erfahrungsgemäß folge eine zweite Welle, wenn Beweisstücke wie zum Beispiel Mobiltelefone ausgewertet seien, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Aus den Umsturzfantasien seien konkrete Pläne geworden, und diese Fantasien gehörten zu den Standard-Reden der AfD im Thüringer Landtag, betonte Maier.

Die AfD habe sich immer weiter radikalisiert und verbreite Verschwörungsmythen und Umsturzfantasien, sagte der Minister. Die Partei fungiere wie eine Schnittstelle für die Vernetzung rechtsextremer Organisationen.

Linken-Chefin Janine Wissler forderte ein konsequenteres Vorgehen gegen rechte Netzwerke innerhalb der Behörden. "Was solche Netzwerke besonders gefährlich macht, ist, dass sie Verbindungen in Bundeswehr, Polizei und Justiz hinein haben", sagte Wissler dem Fernsehsender Phoenix. Darunter seien Menschen, die Zugang zu Waffen haben. Sie warf der AfD vor, eine "gefährliche Rolle" bei der Radikalisierung zu spielen.

(V.Sørensen--DTZ)