Deutsche Tageszeitung - Turbulenter Machtwechsel an der Spitze Perus

Turbulenter Machtwechsel an der Spitze Perus


Turbulenter Machtwechsel an der Spitze Perus
Turbulenter Machtwechsel an der Spitze Perus / Foto: © AFP

Peru hat einen regelrechten Polit-Krimi erlebt, der mit der Entmachtung von Präsident Pedro Castillo und der Ernennung der ersten weiblichen Staatschefin endete: Nach monatelangem Machtkampf mit dem Parlament wurde Castillo des Amtes enthoben und anschließend festgenommen. Nur zwei Stunden später wurde seine bisherige Stellvertreterin Dina Boluarte am Mittwoch im Kongress als neue Präsidentin vereidigt. Sie steht nun unter Druck, eine stabile neue Regierung zu ernennen.

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Begonnen hatte der Mittwoch mit einer Fernsehansprache des Präsidenten wenige Stunden vor einer geplanten Parlamentsdebatte über seine Amtsenthebung. Darin kündigte der linksgerichtete Staatschef an, den von der konservativen Opposition dominierten Kongress aufzulösen, eine "außerordentliche Notstandsregierung" einzuberufen und zunächst per Dekret zu regieren.

Nach der Fernsehansprache traten mehrere Minister und andere Regierungsvertreter aus Protest gegen die Auflösung des Parlaments zurück. Castillos Stellvertreterin Boluarte sprach von einem "Staatsstreich". Während es von allen Seiten Kritik hagelte, versammelten sich die Abgeordneten früher als geplant, um über den Amtsenthebungsantrag zu debattieren. 101 der insgesamt 130 Abgeordneten votierten schließlich dafür, Castillo wegen "moralischer Unfähigkeit" zu entmachten.

Gegen den 53-Jährigen wurden nach Angaben aus Justizkreisen Ermittlungen unter dem Vorwurf der Aufwiegelung eingeleitet. "Er ist festgenommen", sagte die für Ermittlungen zu Regierungskorruption zuständige Staatsanwältin Marita Barreto am Abend.

Wenig später wurde Boluarte, die mit Castillo im Juli 2021 ins Amt gewählt worden war und aus der selben Partei kommt, als seine Nachfolgerin vereidigt. Sie soll bis zum Ende von Castillos Amtszeit im Juli 2026 regieren. In ihrer ersten Ansprache als Präsidentin rief sie zu "nationaler Einheit" auf. Die Abgeordneten forderte sie mit Blick auf die Spannungen zwischen Castillos Linksregierung und dem konservativ dominierten Parlament auf, ihre ideologischen Differenzen beizulegen.

Die 60-jährige Anwältin muss nun zügig ihr Kabinett zusammenstellen. Dabei könnte sich bereits abzeichnen, ob sie für ihre Regierung ausreichende Unterstützung erhält. Sollte dies nicht der Fall sein, dürften die Rufe nach ihrem Rücktritt oder vorgezogenen Neuwahlen lauter werden.

Ohne Rückhalt im Parlament hat Boluarte nach Ansicht von Ex-Präsident Ollanta Humala einen schweren Stand. "Sie hat keine Partei im Kongress, sie ist allein", sagte er am Mittwochabend im Fernsehen. "Sie sollte vorgezogene Neuwahlen ausrufen."

Die einflussreiche Rechtspopulistin Keiko Fujimori kündigte jedoch an, ihre Partei werde die neue Staatschefin unterstützen. "Hoffen wir, dass die Präsidentin ein breit aufgestelltes Kabinett ernennt", erklärte sie auf Twitter.

Castillo war im Juli 2021 als politischer Außenseiter an die Staatsspitze gewählt worden. Seitdem befand sich der 53-Jährige in einem ständigen Machtkampf mit dem konservativ dominierten Kongress. Dieser hatte bereits zweimal vergeblich versucht, ihn wegen "moralischer Unfähigkeit" des Amts zu entheben.

Erst Ende November hatte Castillo den fünften Ministerpräsidenten binnen 16 Monaten ernannt. Gegen den früheren Lehrer und seine Familie laufen mittlerweile mehrere Ermittlungsverfahren und eine Verfassungsbeschwerde wegen Vorwürfen wie Korruption, Beteiligung am organisierten Verbrechen und Behinderung der Justiz. Castillo wies stets alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück.

Die turbulenten Ereignisse in Peru wurden international aufmerksam verfolgt. US-Außenamtssprecher Ned Price sagte, er gehe davon aus, dass Castillo nun "ehemaliger Präsident" sei. Das Parlament in Peru habe entsprechend demokratischer Richtlinien gehandelt.

UN-Generalsekretär António Guterres appellierte an alle Beteiligten, "die Rechtsstaatlichkeit zu wahren, Ruhe zu bewahren und die Spannungen nicht weiter anzuheizen". Auch die EU rief alle Seiten "zu einem Dialog auf, der Stabilität gewährleistet".

(V.Sørensen--DTZ)