Deutsche Tageszeitung - Türkei: Sieben "Cumhuriyet"-Journalisten unter Auflagen frei

Türkei: Sieben "Cumhuriyet"-Journalisten unter Auflagen frei


Türkei: Sieben "Cumhuriyet"-Journalisten unter Auflagen frei
Türkei: Sieben "Cumhuriyet"-Journalisten unter Auflagen frei / Foto: ©

Im Prozess gegen die türkische Zeitung "Cumhuriyet" hat ein Istanbuler Gericht die vorläufige Freilassung von sieben inhaftierten Mitarbeitern angeordnet. Die vier prominentesten Angeklagten müssen aber weiter in Haft bleiben, entschied das Gericht am heutigen Freitag (28.07.2017 nach einer langen Anhörung. Zuvor hatten Anwälte der Beschuldigten die Freilassung ihrer Mandanten gefordert und die Anklage scharf kritisiert.

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Es gebe "keinen konkreten Beweis in der Anklage", und dennoch sei sein Mandant Kadri Gürsel seit neun Monaten in Haft, kritisierte der Anwalt Ilhan Koyuncu vor Gericht. Sein Anwaltskollege Alp Selek sagte, er arbeite seit fast 60 Jahren in der Justiz, doch habe er noch nie eine derartige Anklage gesehen, "die Verbrechen frei erfindet".

Trotz der Kritik entschied das Gericht am Ende, die vier prominentesten Angeklagten in Haft zu behalten. So müssen der Herausgeber Akin Atalay, der Chefredakteur Murat Sabuncu, der Investigativjournalisten Ahmet Sik und der Kolumnist Kadri Gürsel weiter im Gefängnis bleiben. Unter Auflagen vorläufig freigelassen wurden sieben Angeklagte, darunter der Karikaturist Musa Kart.

Bisher waren elf der 17 Angeklagten in Haft. Zumeist saßen sie seit Ende Oktober im Gefängnis, nur Ahmet Sik wurde zwei Monate später festgenommen. Ihre Kollegen und Angehörigen drangen darauf, dass sie für den weiteren Verlauf des Prozesses auf freien Fuß gesetzt werden.

Unterstützung erhielten die Angeklagten vom früheren Staatspräsidenten Abdullah Gül. "Ich habe immer gesagt, dass Journalisten frei sein sollten, während ihnen der Prozess gemacht wird. Auch jetzt denke ich, dass es richtig wäre, dass ihnen der Prozess gemacht wird, ohne dass sie in Haft sind", sagte Gül, der sich sonst selten öffentlich äußert.

Die Staatsanwaltschaft plädierte am Freitag aber dafür, nur den Karikaturisten Musa Kart und vier weitere inhaftierte Mitarbeiter vorläufig freizulassen. Der Staatsanwalt forderte zudem, Sik wegen seiner Verteidigungsrede vor Gericht anzuklagen, in der er scharfe Kritik an der Regierung geäußert hatte.

Sik hatte gesagt, er lehne es ab, sich für seine Arbeit zu verteidigen. "Denn Journalismus ist kein Verbrechen", sagte Sik. Es sei bekannt, dass "Tyrannen" nichts mehr fürchteten als "Mut". Sik war bereits 2011 inhaftiert worden, weil er in einem Buch vor der Unterwanderung des Staates durch die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen gewarnt hatte. Die Bewegung, die heute für den gescheiterten Militärputsch von Juli 2016 verantwortlich gemacht wird, war damals noch mit dem heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verbündet. "Cumhuriyet" wird vorgeworfen, die heute als Terrororganisation gelistete Bewegung sowie die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und die linksextreme DHKP-C zu unterstützen.

Die Angeklagten wiesen diese Vorwürfe in ihren Plädoyers entschieden zurück und verwiesen darauf, dass die Zeitung die Gülen-Bewegung ebenso wie die kurdischen Separatisten immer kritisiert habe. Die Zeitung beschuldigt die Regierung, mit dem Prozess eine der letzten unabhängigen Pressestimmen zum Schweigen bringen zu wollen.

International wurde der Prozess kritisch verfolgt. So drang die US-Außenamtssprecherin Heather Nauert auf die Freilassung aller Journalisten, die unter dem Ausnahmezustand "willkürlich" festgenommen worden seien. Die US-Regierung bleibe "ernsthaft besorgt" über die zahlreichen Festnahmen und Inhaftierungen von Regierungskritikern in der Türkei, sagte sie.

Wie bei vorherigen Anhörungen platzte der Gerichtssaal am Freitag aus allen Nähten. Beim Einlass gab es tumultartige Szenen, da Angehörige, Kollegen, Anwälte und Beobachter in den Saal zu gelangen versuchten. Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich zahlreiche Sympathisanten zu einer Solidaritätsdemonstration.

Die nächste Anhörung wurde für den 11. September angesetzt. "Macht euch keine Sorgen um uns, wir bleiben aufrecht!", rief Atalay nach Verkündung des Gerichtsbeschlusses den Zuschauern zu, die mit Applaus reagierten.  (V.Sørensen--DTZ)