Bundesverfassungsgericht rügt Gesetzgeber wegen Atomgesetznovelle scharf
Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber im Zusammenhang mit von den Richtern bereits vor Jahren eingeforderten Änderungen am Atomgesetz scharf gerügt. Die Novelle des Atomgesetzes aus dem Jahr 2018 sei "ungeeignet", die 2016 vom Gericht "festgestellte Grundrechtsverletzung zu beheben", erklärten die Karlsruher Richter am Donnerstag. Sie gaben einer Klage des Energiekonzerns Vattenfall statt. Die Ausgleichszahlungen für Betreiber bestimmter Kraftwerke müssen damit neu geregelt werden. (Az. 1 BvR 1550/19)
Im Dezember 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Energiekonzerne für Reststrommengen entschädigt werden müssen, die sie laut dem ersten Atomausstiegsbeschluss noch produzieren konnten, die 2011 aber faktisch gestrichen wurden. Damals wurden unmittelbar nach der Atomkatastrophe von Fukushima stattdessen konkrete Abschalttermine festgelegt.
Als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verabschiedete der Bundestag im Jahr 2018 die 16. Novelle des Atomgesetzes. Darin heißt es unter anderem, dass die Betreiber sich zunächst ernsthaft um "eine Übertragung der Strommenge" auf andere Atomkraftwerke bemühen müssten, bevor sie Anspruch auf Kompensation hätten. Vattenfall kann nach eigenen Angaben allerdings nur an einen einzigen Wettbewerber verkaufen.
Die Regelung sei "unzumutbar" und kein angemessener Ausgleich, entschied das Bundesverfassungsgericht nun. Ein Energiekonzern könne vorher nicht wissen, auf welche Bedingungen er sich dabei einlassen müsse. Der Gesetzgeber müsse nachbessern.
Zudem entschied das Gericht, dass die Novelle entgegen der Ansicht der Bundesregierung ohnehin noch gar nicht in Kraft getreten sei, weil keine verbindliche Mitteilung der EU-Kommission dazu vorliege. Zwar hat die europäische Generaldirektion Wettbewerb 2018 mitgeteilt, dass eine förmliche Anmeldung der Novelle ihrer Einschätzung nach nicht nötig sei. Dies ist aber nach Ansicht der Verfassungsrichter keine verbindliche Mitteilung.
Vattenfall begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts "uneingeschränkt". Die Atomgesetznovelle von 2018 sei den Vorgaben des Gerichts "nicht einmal im Ansatz gerecht geworden", erklärte das Unternehmen. Vattenfall müsse dafür entschädigt werden, dass die vom Gesetzgeber zugewiesenen Reststrommengen nicht "zu angemessenen Bedingungen verwertet" werden konnten.
(I.Beryonev--DTZ)