Siemens hält an umstrittener Beteiligung an australischem Kohleprojekt fest
Siemens hält trotz der vehementen Kritik von Klimaschützern an seiner Beteiligung an einem gigantischen Kohleförderprojekt in Australien fest. Dies teilte Konzernchef Joe Kaeser am Sonntagabend nach einer außerordentlichen Vorstandssitzung mit. Die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer warf Kaeser eine "historische Fehlentscheidung" vor und kündigte neue Proteste gegen Siemens am Montag in mehreren deutschen Städten an.
Kaeser schrieb im Onlinedienst Twitter, sein Unternehmen habe im Fall des australischen Projekts alle Optionen geprüft, müsse sich aber an seine vertraglichen Verpflichtungen halten. Er kündigte die Gründung eines Nachhaltigkeitsrates an, um Umweltschutzfragen in der Zukunft besser zu berücksichtigen.
Der deutsche Großkonzern hatte im Juli 2019 den Auftrag für die Schienensignalanlage der vom indischen Adani-Konzern geplanten Carmichael-Mine im australischen Bundesstaat Queensland angenommen. Der Auftrag hat laut Kaeser ein Volumen von 18 Millionen Euro. Mitte Dezember hatte der Siemens-Chef angekündigt, die Beteiligung seines Konzerns an dem Projekt auf den Prüfstand zu stellen.
Am Freitag traf sich Kaeser mit Neubauer, die Sprecherin des deutschen Flügels der Klimaschutzbewegung Fridays for Future ist. Bei dem Treffen bot er Neubauer überraschend einen Aufsichtsratsposten bei der Unternehmenstochter Siemens Energy an. Die Klima-Aktivistin lehnte das Angebot aber ab.
Vergeblich drang Neubauer bei Kaeser auf einen kompletten Rückzug aus dem australischen Projekt. Nach dem Konzernbeschluss vom Sonntag warf sie dem Konzernchef vor, gegen das Pariser Klimaschutzabkommen, gegen die zukünftigen Generationen und "nicht zuletzt gegen die Klimaschutz-Reputation von Siemens" entschieden zu haben.
Neubauer kündigte über Twitter an, dass es am Montag spontane Demonstrationen gegen die "desaströse Entscheidung" vor elf Siemens-Sitzen geben solle. Bereits am Freitag hatte Fridays for Future nach eigenen Angaben in mehr als 30 Städten gegen das Unternehmen demonstriert.
Umweltschützer warnen, die Verbrennung der Kohle aus der australischen Carmichael-Mine in Indien und China werde die Klimaerwärmung verschlimmern. Zudem seien in Australien zahlreiche Tierarten durch die Mine bedroht.
Die Carmichael-Mine soll eine der größten Kohleförderstätten der Welt werden. Die Mine soll im kommenden Jahr in Betrieb gehen und bis zu 27 Million Tonnen Kohle im Jahr produzieren.
Die Kohle soll von einem Hafen in der Nähe des Great Barrier Reef verschifft werden. Dabei handelt es sich um das größte Korallenriff der Welt. Es ist nach Angaben von Naturschützern als Folge von Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung bereits stark beschädigt.
Der Klimaschutz ist auch in Australien zuletzt verstärkt zu einem Thema der öffentlichen Debatte geworden - im Zusammenhang mit den seit Monaten wütenden Wald- und Buschbränden. Premierminister Scott Morrison betreibt eine Pro-Kohle-Politik und unterstützt energisch das Carmichael-Projekt. Australien ist der größte Kohle-Exporteur der Welt.
(L.Møller--DTZ)