Städte-Boom und "Baustau" verstärken Druck auf deutschen Wohnungsmarkt
Zwischen "Baustau" und Städte-Boom: Während die großen Ballungsgebiete immer mehr junge Leute anziehen, kommt die Bauwirtschaft mit der Nachfrage nach neuen Wohnungen kaum hinterher. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Druck auf den deutschen Wohnungsmarkt in den vergangenen Jahren durch die wachsende Bevölkerung vor allem in den Metropolen deutlich größer geworden. Zugleich schaffen es die Baubetriebe immer seltener, eingegangene Aufträge auch abzuarbeiten.
Dieser "Baustau" zeigt sich den Statistikern zufolge darin, dass es 2018 mehr als doppelt so viele genehmigte, aber noch nicht fertiggestellte Wohnungen gab wie 2008 - die Zahl stieg von rund 320.000 auf fast 700.000. Aktuell warten demnach Aufträge im Wert von rund 9,1 Milliarden Euro auf ihre Ausführung.
"Vermutlich fällt es den Betrieben schwer, das notwendige Personal zu rekrutieren", sagte der Präsident des Bundesamtes, Georg Thiel, am Mittwoch in Berlin. So sei die Zahl der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe von 2008 bis 2018 zwar um 25 Prozent gestiegen. Die Auftragsbestände im Wohnungsbau allerdings verdreifachten sich seit 2008 nahezu.
Zugleich verzeichneten die 15 größten Städte Deutschlands in den Jahren 2012 bis 2018 einen deutlichen Bevölkerungszuwachs. An der Spitze steht hier Leipzig mit einem Plus von 12,9 Prozent vor Frankfurt am Main mit 9,5 Prozent und Berlin mit acht Prozent. Für die Hauptstadt bedeutet ein Zuwachs um mehr als 300.000 Menschen in den vergangenen Jahren dabei ein Plus in der Größenordnung einer kompletten Großstadt wie Bonn oder Münster, wie die Statistiker betonten. In die Städte zieht es dabei vor allem jüngere Menschen von 20 bis 40 Jahren.
Der Mangel an Wohnraum führt dazu, dass Bewohner der Ballungsgebiete näher zusammenrücken. In den sieben größten Städten Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf nahm die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf zwischen 2010 und 2018 um 1,7 auf 39,2 Quadratmeter ab. Zum Vergleich: Deutschlandweit blieb die durchschnittliche Wohnfläche im selben Zeitraum konstant und liegt bei gut 45 Quadratmetern pro Kopf.
Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt hatte in den vergangenen Jahren auch, dass es für Verbraucher attraktiver geworden ist, eine Immobilie zu erwerben - unter anderem bedingt durch niedrige Sparzinsen und günstige Kredite in Kombination mit einer guten Wirtschaftslage und steigenden Einkommen. Dies hat die Häuserpreise und Mieten vor allem in den Metropolen und Städten stark steigen lassen; zugleich gab es einen deutlichen Preisanstieg im Bau und für die Instandhaltung von Wohngebäuden.
Insgesamt bleibt die Bundesrepublik weiter "ein Land der Mieterinnen und Mieter", wie Thiel betonte. "In keinem Land der EU leben so wenige Menschen in den eigenen vier Wänden wie hierzulande." Im Jahr 2018 wurden bundesweit lediglich gut 46,5 Prozent aller Wohnungen durch Eigentümer selbst bewohnt.
"Wohnen ist eines der drängenden Themen in unserer heutigen Zeit", sagte Thiel. Zugleich betonte er, dass es für die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt vielfältige Ursachen gebe.
Die Zahlen der Statistiker belegten eine "komplexe Problemlage auf dem deutschen Wohnungsmarkt", erklärte auch der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko. Nötig seien daher differenzierte Lösungen. Statt einfacher Antworten wie die eines Mietendeckels, wie ihn der Berliner Senat zuletzt beschlossen hatte, sei ein Maßnahmenpaket notwendig, das über den notwendigen zusätzlichen Wohnungsneubau hinausgehe.
"Stadt- und Umlandbeziehungen sollten attraktiver gestaltet werden", forderte Gedaschko. Dazu gehörten unter anderem neue Mobilitätsangebote und bessere ÖPNV-Anbindungen.
(W.Uljanov--DTZ)