Wichtige Einigung für EU-weite Sammelklagen für Verbraucher
Nach dem EU-Parlament haben auch die Mitgliedstaaten grundsätzlich grünes Licht für die Möglichkeit EU-weiter Sammelklagen gegeben. Die Wettbewerbsminister der EU-Länder legten bei einem Treffen am Donnerstag in Brüssel eine gemeinsame Position für die Verhandlungen mit dem Parlament fest. EU-Diplomaten zufolge enthielten sich Deutschland und Österreich bei der Abstimmung ihrer Stimme. Wirtschaftsverbände warnten vor einer Klagewelle.
Die EU-Kommission hatte die Möglichkeit für europäische Verbraucher, gemeinsam juristisch gegen Konzerne vorzugehen, im April 2018 als Reaktion auf den VW-Abgasskandal vorgeschlagen. Frühere Vorhaben in diese Richtung hatten sich bis dahin nie konkretisiert. Auch den neuesten Vorstoß der Brüsseler Behörde hatten die Mitgliedstaaten lange blockiert.
Nun verständigten sie sich darauf, dass etwa Verbraucherschutzorganisationen grundsätzlich überall in der EU Klagen mehrerer Verbraucher aus demselben Grund und gegen dasselbe Unternehmen bündeln können. Stellvertretend für Verbraucher sollen sie Ansprüche auf Schadenersatz, Preisminderungen oder Ersatzlieferungen einklagen können. Die Regierungen der Länder müssten der Einigung zufolge entsprechende nationale Gesetze erlassen.
Anders als zunächst von der EU-Kommission vorgesehen, sollen die Vorgaben für die Zulassung einer solchen Verbundklage - etwa die Mindestanzahl an betroffenen Verbrauchern - weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen werden. Die Einigung werde dem Ziel, ein EU-weit harmonisiertes System zu schaffen, nicht gerecht, kommentierte Markus Beyrer, Generaldirektor des europäischen Unternehmerverbandes BusinessEurope.
EU-weite einheitliche Vorgaben soll es nur geben, wenn Organisationen woanders als in ihrem Ursprungsland vor Gericht ziehen wollen. Die Hürden dafür sollen nach Auffassung der Mitgliedstaaten dann besonders hoch sein, um zu verhindern, dass sich Kläger das Land mit dem in ihrem Fall vorteilhaftesten Rechtssystem aussuchen. Etwa sollen für Sammelklagen "qualifizierte Stellen" ihre Finanzen offenlegen und juristische Kompetenz nachweisen müssen.
Von deutschen Wirtschaftsverbänden kam scharfe Kritik an der Einigung. Sie "öffnet Tür und Tor für Missbrauch" befürchtet etwa Thilo Brodtmann, Chef des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Wirtschaftsvertreter führen häufig das Beispiel der USA an, wo die Möglichkeit für Verbandsklagen zu einer Klagehäufung und hohen Anwaltskosten geführt hätten. Der Präsident des Deutschen Reiseverbandes, Norbert Fiebig, forderte deshalb "strengere Klagevoraussetzungen".
Die Bundesregierung weist in der Debatte zudem auf das deutsche Modell der Musterfeststellungsklage hin, das durch eine EU-Richtlinie obsolet werden könnte. Verbraucherschützer haben in Deutschland seit vergangenem Herbst die Möglichkeit, stellvertretend für tausende Verbraucher vor Gericht zu ziehen. Am Ende muss jeder Einzelne dann jedoch erneut klagen und eine konkrete Summe Geld einfordern.
"Die Richtlinie würde die Rechte der Verbraucher über die deutsche Musterfeststellungsklage hinaus stärken", erklärte dazu der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Vzbv-Chef Klaus Müller verspricht sich durch die europaweite Einführung von Sammelklagen nun, das auch deutsche Verbraucher künftig einfacher entschädigt werden können.
Das EU-Parlament hatte sich im März 2019 bereits dafür ausgesprochen, allen Verbrauchern in der EU die Möglichkeit zu geben, im Verbund zu klagen. Mit der Einigung der Mitgliedstaaten können die Verhandlungen mit dem Europaparlament zur konkreten Ausarbeitung der künftigen Richtlinie beginnen.
(P.Vasilyevsky--DTZ)