Tausende Bauern demonstrieren in Berlin gegen Umweltvorschriften
Mit tausenden Traktoren auf den Straßen Berlins und einer Großkundgebung vor dem Brandenburger Tor haben Bauern aus ganz Deutschland gegen die Agrarpolitik der Regierung demonstriert. Sie protestierten gegen zu weitreichende Umwelt- und Naturschutzvorschriften und forderten mehr Respekt und Anerkennung für ihre Arbeit. Aufgerufen zur Demonstration hatte das Bündnis "Land schafft Verbindung".
"Ist Bauernstille Euer Wille?" oder "Wir machen euch satt" stand auf Plakaten und Transparenten geschrieben, die die Landwirte in den Händen hielten oder an ihren Treckern befestigt hatten. Mehr als 8500 Traktoren fuhren am Dienstag laut "Land schafft Verbindung" durch Berlin und sorgten für teils erhebliche Verkehrsbehinderungen.
Viele Landwirte waren auch per Bus oder Bahn gekommen - die Organisatoren rechneten am Nachmittag mit weit mehr als den 10.000 Teilnehmern, die angemeldet waren. "Land schafft Verbindung" hatte schon die bundesweiten Demonstrationen am 22. Oktober und die Proteste beim Umweltministertreffen in Hamburg Mitte November organisiert.
Der Zorn der Bauern richtet sich vor allem gegen das Agrarpaket der Regierung für eine umweltverträglichere Landwirtschaft. Darin enthalten sind ein Aktionsprogramm für den besseren Schutz von Insekten, die Einführung eines staatlichen Tierwohllabels und eine stärkere Umschichtung von EU-Geldern, die für Bauern Umweltmaßnahmen attraktiver machen soll. Auch gegen die verschärften Düngeregeln gehen die Landwirte auf die Straße.
Einen entsprechend frostigen Empfang bereiteten die Landwirte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Sie quittierten ihren Auftritt mit absoluter Stille, dazu hatten sie sich im Vorfeld abgesprochen. Weder Applaus noch Zwischenrufe waren zu hören. Erst nach dem Redebeitrag der Umweltministerin gab es Buhrufe.
Schulze verteidigte die Politik der Regierung. "Wir alle wissen, wer die Lebensmittel hinstellt", sagte sie. "Wir sehen aber auch, welche Probleme wir haben", verwies sie auf die hohe Nitratbelastung im Grundwasser und gefährdete Insekten. Nötig seien "klare Regeln".
Auch Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) bekräftigte in zahlreichen Interviews, die Landwirtschaft müsse gesellschaftlichen Erwartungen im Umgang mit Tieren und dem Klima Rechnung tragen. "Wir müssen uns auf den Weg machen, hin zu einer modernen Landwirtschaft, die in Zukunft trägt", sagte sie am Dienstag im MDR. Die Ministerin betonte, nötige Umstellungen würden "mit Geld und mit Förderungen unterlegt". Alle hätten ein Interesse daran, eine regionale, flächendeckende Lebensmittelproduktion zu behalten.
Die FDP forderte angesichts der Proteste ein Moratorium: "Ob Insektenschutzgesetz oder Agrarpaket – die Bundesregierung ist gut beraten, die Planungen jetzt auf Eis zu legen und für die nächsten fünf Jahre die Füße stillzuhalten", sagte der FDP-Agrarexperte Karlheinz Busen. Die Bauern seien "viel zu lange" ruhig geblieben und hätten "alles über sich ergehen lassen".
Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, verwies im MDR auf den europäischen Wettbewerb. Diesen Marathonlauf könnten die deutschen Landwirte nicht "mit Holzpantinen an den Füßen" gewinnen.
Grünen-Chef Robert Habeck mahnte dagegen einen grundlegenden Kurswechsel an. "Der Protest zeigt das Versagen der deutschen Landwirtschaftspolitik auf", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Förderung, die Ausbildung, die Exportorientierung, die niedrigen, oft nicht auskömmlichen Preise, zwängen die Bauern, immer intensiver zu wirtschaften. Das gefährde zunehmend sämtliche Lebensgrundlagen.
Habeck forderte eine "systemische Umstellung": Auch Landwirte mit extensiven Bearbeitungsformen und einer anderen Tierhaltung müssten auskömmlich wirtschaften können.
Am kommenden Montag schaltet sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Debatte ein: Sie hat Vertreter von mehr als 40 landwirtschaftlichen Gruppierungen und Klöckner zum "Landwirtschaftsdialog" ins Kanzleramt geladen.
(W.Uljanov--DTZ)