Deutsche Tageszeitung - Foodwatch: Künftig weniger amtliche Lebensmittelkontrollen in Deutschland

Foodwatch: Künftig weniger amtliche Lebensmittelkontrollen in Deutschland


Foodwatch: Künftig weniger amtliche Lebensmittelkontrollen in Deutschland
Foodwatch: Künftig weniger amtliche Lebensmittelkontrollen in Deutschland / Foto: ©

Um die anstehende Reform der Lebensmittelüberwachung in Deutschland gibt es heftigen Streit. Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte, künftig seien damit "deutlich weniger amtliche Kontrollen vorgeschrieben als bisher". Das Bundesernährungsministerium von Julia Klöckner (CDU) wies dies am Dienstag als "falsch" zurück. Ziel der Reform sei vielmehr, Betriebe mit einem höheren Risiko häufiger zu kontrollieren.

Textgröße ändern:

Wie oft die Behörden einen Lebensmittelbetrieb besuchen und wie viele Lebensmittelkontrolleure die Ämter einstellen, orientiert sich an der Risikoeinstufung der Unternehmen. Sie werden nach Betriebsart und nach vorherigen Kontrollergebnissen eingestuft. So wird eine Metzgerei häufiger kontrolliert als ein Kiosk; ein immer wieder wegen Hygienemängeln auffälliger Betrieb häufiger als ein Vorzeigeunternehmen. Zuständig sind die Bundesländer.

Im Zentrum des Streits steht nun die Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung (AVVRÜb). Geplant sind Veränderungen bei der Zuweisung von Kontrollfrequenzen für die verbindlichen Routinekontrollen zu den Risikoklassen.

Bislang sind Kontrollhäufigkeiten von höchstens täglich bis mindestens alle drei Jahre einzuhalten - künftig soll dies jedes Land selbst festlegen. Als Spanne wird wöchentlich bis längstens dreijährlich genannt, zusätzliche anlassbezogene Kontrollen sind möglich.

Eine Ministeriumssprecherin sagte, in den Beratungen über die Reform hätten die beteiligten Bundesländer bei der Einstufung von Betrieben das Verhalten des Unternehmers, die Eigenkontrollen des Unternehmens und ihr Hygienemanagement stärker gewichten wollen. Sie hätten "in Problembetrieben den Überwachungsdruck erhöhen" wollen. Dies sei in der Neufassung der Verwaltungsvorschrift umgesetzt worden.

Künftig würden Problembetriebe häufiger kontrolliert, betonte die Sprecherin. Dadurch werde auch die Risikovorsorge für den Verbraucher verbessert. "Denn es ergibt wenig Sinn, einen unauffälligen Betrieb, der vorbildliche Eigenkontrollen und Qualitätsmechanismen besitzt, ständig wiederkehrend in kurzen Intervallen zu kontrollieren."

Foodwatch hält dagegen: Durch die geplante Änderung gäbe es zum Beispiel bei einem Unternehmen wie dem Wursthersteller Wilke weniger vorgeschriebene Pflichtkontrollen als bisher. Mit keimbelasteter Wurst von Wilke werden drei Todesfälle in Verbindung gebracht.

Bei solchen Betrieben sollten "nur noch vierteljährlich verbindliche Kontrollen stattfinden – anstatt bisher eigentlich monatlich". In Betrieben mit höchstem Risiko sollen demnach statt bisher täglich nur noch wöchentlich verbindliche Kontrollen stattfinden.

"Mehr Lebensmittelsicherheit erreicht man nicht durch weniger Kontrollen – was für eine aberwitzige Logik von Frau Klöckner", sagte Geschäftsführer Martin Rücker. Die geplante Reform sei eine "massive Schwächung der Lebensmittelsicherheit in Deutschland". Klöckner müsse die Pläne stoppen oder der Bundesrat seine Zustimmung verweigern.

Foodwatch bemängelte zudem, dass anstelle von rund 400 politisch abhängigen Behörden in Zukunft 16 weitestgehend unabhängige Landesanstalten für die Lebensmittelkontrollen zuständig sein sollen, die verbindlich die dafür erforderliche personelle Ausstattung erhalten müssen. "Die Lebensmittelkontrolle darf aber nicht von der Haushaltssituation oder von politischer Willkür abhängen", sagte Rücker.

Der fast 100-seitige Referentenentwurf ist im Internet zu lesen: t1p.de/tjz1. Foodwatch verlinkt zudem auf eine Gegenüberstellung zur Kontrollhäufigkeit unter: t1p.de/m20s.

(W.Budayev--DTZ)

Empfohlen

Frankreich schickt letzten Atommüll zurück nach Deutschland

Deutschland erhält seinen letzten Atommüll aus Frankreich zurück: Vier Container mit hoch radioaktivem Material hätten am Dienstag den Bahnhof Valognes in der Nähe der Wiederaufbereitungsanlage La Hague Richtung Deutschland verlassen, teilte der staatliche Atomkonzern Orano mit. Dabei handle es sich um den 13. und letzten Transport von hochradioaktivem Material. Nach Informationen der Umweltorganisation Greenpeace ist er für das 2019 abgeschaltete Atomkraftwerk Philippsburg nahe der französischen Grenze bestimmt.

Schäden an Unterwasser-Kabeln in der Ostsee wecken Verdacht auf Sabotage

Schäden an zwei wichtigen Unterwasser-Kabeln in der Ostsee binnen 48 Stunden haben in Deutschland, Finnland und Schweden den Verdacht auf Sabotage laut werden lassen. Ein solcher Vorfall wecke "sofort den Verdacht, dass absichtlich Schaden angerichtet wird", erklärten am Dienstag Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihre finnische Kollegin Elina Valtonen. Zuvor waren Schäden sowohl an einem Telekommunikations-Kabel zwischen Deutschland und Finnland als auch an einem derartigen Kabel zwischen Schweden und Litauen bekannt geworden.

Studie der Regierung sieht großes Potenzial für Solaranlagen an Fernstraßen

An Autobahnen und Bundesstraßen in Deutschland gibt es einer Studie der Bundesregierung zufolge große Potenziale für den Bau von Solaranlagen. Wie das Bundesverkehrsministerium am Dienstag mitteilte, könnten entlang der Straßen, an Lärmschutzwällen und Parkflächen insgesamt bis zu 54 Gigawatt Leistung installiert werden. Demnach wurden etwa 250.000 potenziell geeignete Flächen erfasst.

ARD und ZDF ziehen erneut für höheren Rundfunkbeitrag vor Bundesverfassungsgericht

ARD und ZDF ziehen für einen höheren Rundfunkbeitrag erneut vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Beide öffentlich-rechtlichen Sender begründeten dies am Dienstag damit, dass die Bundesländer bisher keine Umsetzung der von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarf der Rundfunkanstalten (KEF) empfohlenen Erhöhung um monatlich 58 Cent auf 18,94 Euro auf den Weg brachten. Dabei verwiesen ARD und ZDF auch auf die jüngste Ministerpräsidentenkonferenz, die im Oktober keinen entsprechenden Entwurf beschlossen hatte.

Textgröße ändern: