Gericht legt Streitparteien im VW-Musterprozess Vergleich nahe
Am zweiten Verhandlungstag im Musterverfahren für Verbraucher im VW-Abgasskandal hat das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig den beiden Streitparteien einen Vergleich nahegelegt. Beide Seiten sollten prüfen und bis zum Jahresende mitteilen, ob derlei Gespräche in Betracht kommen, teilte das OLG am Montag mit. Volkswagen bezeichnete einen Vergleich als "kaum vorstellbar", will das aber prüfen, der klagende Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zeigte sich dafür offen.
Im Mammut-Verfahren um die Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen geht es zurzeit um die Zulässigkeit der Ansprüche, die der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und der Automobilclub ADAC stellvertretend für betroffene Dieselkäufer geltend machen wollen. Die Verbraucherschützer wollen mit der Klage feststellen lassen, dass der Autobauer seine Kunden "vorsätzlich und sittenwidrig" geschädigt hat und deshalb Schadenersatz zahlen muss.
Sogenannte Übereinstimmungsbescheinigungen von Volkswagen, mit denen der Autobauer die Typgenehmigungen der ausgelieferten Fahrzeuge bei einem Verkauf über unbeteiligte Unternehmen bestätigte, seien "nach vorläufiger Auffassung" gültig, teilte das OLG mit. Das Feststellungsziel einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Haftung des Konzerns sieht der zuständige Senat damit vorerst nicht erfüllt.
Zu einer Haftung aus "vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung" oder durch einen möglichen Betrug äußerte sich der Senat aber noch nicht. Hierfür will das OLG einen neuen Verhandlungstermin ankündigen.
Zuvor hatte Volkswagen den Vorwurf der Schädigung von Kunden durch unzulässige Software in Dieselautos erneut zurückgewiesen. "Nach wie vor werden die Fahrzeuge von hunderttausenden Kunden gefahren", erklärte der Konzern, es gebe keinen "Schaden mit Breitenwirkung für alle angemeldeten Verbraucher".
Das Gericht sieht nun in einem Vergleich eine Lösung. Volkswagen hält das für "kaum vorstellbar", der Konzern will sich aber "genau anschauen", ob er Vergleichsverhandlungen für praktikabel hält.
Vzbv-Chef Klaus Müller zeigte sich hingegen optimistisch: "Das Gericht hat mit Nachdruck deutlich gemacht, dass keine Zeit zu verlieren sei und eine schnelle Lösung für die betroffenen Verbraucher die Zielmarke sein muss", erklärte er, "sei es mit einem Urteil oder durch einen Vergleich".
Vier Jahre nach Bekanntwerden des Abgasskandals bei Volkswagen hatte in Braunschweig Ende September das bislang größte Gerichtsverfahren für Dieselkunden begonnen. Zum Auftakt der Verhandlung hatte das Gericht dabei deutlich gemacht, dass es sehr sorgfältig prüfen will, inwiefern den Autokäufern ein möglicher Schaden entstanden ist.
(M.Dorokhin--DTZ)