Verbraucherschützer fordern grundlegende Reform der Lebensmittelüberwachung
Nach dem Skandal um keimbelastete Wurst der Firma Wilke haben Verbraucherschützer eine grundlegende Reform der Lebensmittelüberwachung gefordert. Nötig sei in jedem Bundesland eine einzige "politisch unabhängige Landesanstalt" für die Überwachung, mahnte die Organisation Foodwatch an. In Berlin traf sich am Freitag Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) mit Vertretern der Länder, um über Schwachstellen bei der Lebensmittelüberwachung zu sprechen und Skandale wie bei Wilke künftig zu vermeiden.
Kommunale Behörden und Landesregierungen seien in einem "permanenten Interessenkonflikt", denn sie müssten die regionale Wirtschaft fördern und Arbeitsplätze sichern - und zugleich das Lebensmittelrecht in den Unternehmen durchsetzen. Damit habe die Lebensmittelüberwachung in Deutschland ein "System-Problem", sagte Oliver Huizinga von Foodwatch. Wenn sie nicht bundesweit neu aufgestellt werde, sei "der nächste Lebensmittelskandal nur eine Frage der Zeit".
Kommunen und Landesregierungen müsse die Zuständigkeit für die Lebensmittelüberwachung entzogen werden, forderte Foodwatch. Die neuen eigenständigen Landesanstalten sollten dann für alle Betriebe eines Bundeslandes zuständig sein und müssten ohne die Fachaufsicht durch übergeordnete Landesverbraucher eingerichtet werden.
Wichtig sei außerdem, dass künftig "ausnahmslos alle Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung" veröffentlicht werden, erklärte Foodwatch. Das sei gut für die Qualitätssicherung und die Souveränität der Verbraucher. Nicht zuletzt müsse es konsequentere Lebensmittelrückrufe und eine lückenlose Rückverfolgbarkeit geben, damit im Krisenfall nicht "400 Behörden gleichzeitig den Verbleib zurückgerufener Produkte recherchieren müssen".
Erst am Donnerstag hatte Hessens Verbraucherschutzministerin Priska Hinz (Grüne), die am Freitag ebenfalls in Berlin eingeladen war, Vorschläge zur Verbesserung des Krisenmanagements auf den Tisch gelegt. Nötig seien unter anderem einheitliche Vorgaben für Betriebe, die Rückverfolgbarkeit ihrer Waren sicherzustellen sowie eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, sagte sie. Denkbar sei etwa, dass künftig auch der Bund und nicht nur die Länder den Krisenrat einberufen könne.
Klöckner sagte nach dem Treffen am Freitag, das Thema Lebensmittelkontrollen sei "aus gutem Grund föderal organisiert", denn aus Berlin könne nicht beurteilt werden, wie die Lage vor Ort sei. Trotzdem müssten Fragen gestellt werden, wo es Lücken gebe und welche Verbesserungen nötig seien. In erster Linie hätten die Lebensmittelunternehmen die Pflicht, dafür zu sorgen, "dass die Lebensmittel sicher sind".
Die Ministerin forderte zudem die Länder auf, die Lebensmittelkontrolle so zu organisieren, "dass es keine Interessenkonflikte gibt". Die Ministerin schlug zugleich vor, "interdisziplinäre Kontrolleinheiten" für die Lebensmittelüberwachung in den Ländern einzusetzen. Diese zusammengesetzten Teams von Experten aus unterschiedlichen Bereichen sollten gegebenenfalls aus anderen Länder-Behörden unterstützt werden, dies beuge auch Interessenkonflikten vor.
Der FDP-Agrarexperte Gero Hocker warf Klöckner ein "Ablenkungsmanöver" vor. Es bleibe die Frage, weshalb Informationen nicht schneller weitergegeben wurden. Nötig sei nun, den nationalen Kontrollplan wirksamer auszugestalten, "damit vorsorglich die Verbraucher besser geschützt werden".
In Wurstwaren von Wilke waren bereits im März schädliche Bakterien, sogenannte Listerien, festgestellt worden. Drei ältere Todesfälle werden mittlerweile damit in Verbindung gebracht. Im zuständigen hessischen Ministerium wurde erst Mitte September durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie durch das Robert-Koch-Institut klar, dass es einen Zusammenhang zwischen an Listerien Erkrankten und der Firma Wilke gebe.
(P.Vasilyevsky--DTZ)