Ministerium rechtfertigt verzögerte Schließung bakterienbefallener Wurstfabrik
Das hessische Umwelt- und Verbraucherschutzministerium weist den Vorwurf der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch zurück, im Skandal um zwei Listerien-Todesfälle durch Produkte des Wurstherstellers Wilke nachlässig reagiert zu haben. "Man muss einem Betrieb die Möglichkeit geben, Missstände zu beseitigen, um dann weiter produzieren zu können", sagte Ministerin Priska Hinz (Grüne) am Mittwoch. Foodwatch hatte zuvor kritisiert, die Öffentlichkeit sei zu spät gewarnt worden.
Das Ministerium wurde nach eigenen Angaben am 16. September vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit darüber informiert, dass das Robert Koch-Institut (RKI) einen Zusammenhang zwischen Listerienfunden bei Wilke und entsprechenden Krankheitsfällen festgestellt hatte. Demnach sind bislang zwei Todesfälle im Jahr 2018 und 37 weitere Erkrankungen auf diese Funde zurückzuführen.
Die sofortige Schließung des Betriebs wäre laut Hinz aber nicht rechtens gewesen. Stattdessen erfolgten die Schließung und der öffentliche Rückruf aller Wilke-Produkte am 2. Oktober. Nach Angaben von Foodwatch informierte das Ministerium am 18. September das Regierungspräsidium in Kassel über den Fall. Spätestens an diesem Tag hätte die Öffentlichkeit gewarnt werden müssen, kritisierten die Verbraucherschützer.
"Statt schnell zu handeln und für einen öffentlichen Rückruf zu sorgen, hat die hessische Umweltministerin Priska Hinz offenbar zugeschaut, wie potenziell Listerien-belastete Wurst an Supermärkte, Fleischtheken und Krankenhäuser geliefert wurde", sagte Oliver Huizinga von Foodwatch am Mittwoch. Sollte nach dem 18. September noch jemand an den Produkten erkrankt sein, trage Hinz eine Mitverantwortung dafür.
Das Ministerium entgegnete, es habe sich nach dem Befund des RKI mit dem für die Überwachung vor Ort zuständigen Landkreis Waldeck-Frankenberg sowie dem Regierungspräsidium abgestimmt und verfügt, dass ab dem 20. September nur noch auf einen Listerien-Schwellenwert hin geprüfte Produkte den Betrieb verlassen dürften. Listerienfunde seien generell nicht ungewöhnlich und auch nicht automatisch gefährlich für Verbraucher. Anders als Salmonellen dürften diese Bakterien in bestimmten Mengen in Lebensmitteln enthalten sein.
Nach eigenen Angaben wird das Ministerium nicht automatisch von den kommunalen Behörden über Befunde informiert und kann auch nur bedingt strengere Kontrollen durchsetzen. Hinz verwies auf einen entsprechenden Gesetzentwurf, den ihr Ministerium im Sommer in den Landtag eingebracht habe und der die Koordinierung zwischen den zuständigen Stellen verbessern solle. "Auch wir sind nicht frei von Fehlern", erklärte sie.
"Ich möchte gerne, dass die Lebensmittelüberwachung schlagkräftiger aufgestellt wird", sagte Hinz weiter. Wie das geschehen könne, würde entschieden, wenn die Aufklärung beendet sei und alle Berichte vorlägen. Foodwatch hatte am Dienstagabend einen Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Landkreis Waldeck-Frankenberg beim Verwaltungsgericht Kassel eingereicht. Das Gericht bestätigte den Eingang des Antrags am Mittwoch.
Darüber hinaus ermittelt die Staatsanwaltschaft Kassel nach Strafanzeige des Kreises wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung, fahrlässigen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Lebensmittel- und Futtergesetzbuch gegen den Geschäftsführer des inzwischen insolventen Wurstbetriebs Wilke. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, soll schwerpunktmäßig die Frage geklärt werden, ob der Todeseintritt auf den Verzehr belasteter Wilke-Produkte zurückzuführen ist. Bereits vergangene Woche seien die Firma und der Wohnsitz des Beschuldigten durchsucht worden.
(M.Dorokhin--DTZ)