Deutsche Tageszeitung - Anklage im Dieselskandal gegen VW-Spitze wegen Marktmanipulation

Anklage im Dieselskandal gegen VW-Spitze wegen Marktmanipulation


Anklage im Dieselskandal gegen VW-Spitze wegen Marktmanipulation
Anklage im Dieselskandal gegen VW-Spitze wegen Marktmanipulation / Foto: ©

Fast auf den Tag vier Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals bei Volkswagen hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig Anklage wegen Marktmanipulation gegen die damalige Führungsspitze erhoben. "Nach umfangreichen Ermittlungen" angeklagt würden der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn, der amtierende Chef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, teilte die Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. Die drei Beschuldigten wiesen die Vorwürfe zurück. Das Landgericht Braunschweig muss nun die Zulassung der Anklage prüfen.

Textgröße ändern:

Der Dieselskandal war am 18. September 2015 bekannt geworden - Winterkorn war damals VW-Konzernchef, Diess frisch gebackener Chef der Marke VW, Pötsch Finanzvorstand. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft vor, den Kapitalmarkt vorsätzlich zu spät über den Dieselskandal informiert und damit "rechtswidrig Einfluss auf den Börsenkurs des Unternehmens genommen zu haben".

Die 636 Seiten lange Anklageschrift geht den Angaben zufolge davon aus, dass Winterkorn spätestens seit Mai 2015, Pötsch seit Ende Juni 2015 und Diess seit Ende Juli 2015 jeweils "vollständige Kenntnis" davon hatten, dass weltweit in Millionen Fahrzeugen von VW eine illegale Software eingebaut worden war, die den Ausstoß von Stickoxiden nur auf dem Prüfstand sinken ließ, nicht aber im täglichen Straßenverkehr. Die drei Manager wussten laut Staatsanwaltschaft auch von den "sich ergebenden erheblichen Schadensfolgen" und hätten "jeder für sich ab jenem Zeitpunkt" die Märkte informieren müssen - was nicht geschah.

Öffentlich wurde der Dieselskandal durch eine Bekanntmachung der US-Behörden. Am 21. September, dem ersten Börsentag danach, verlor die Aktie stark an Wert. Am 22. September gab Volkswagen eine Gewinnwarnung aus. Zahlreiche Anleger klagten deshalb wegen Marktmanipulation.

Vorstände börsennotierter Unternehmen sind dazu verpflichtet, kursrelevante Ereignisse wie zum Beispiel erhebliche finanzielle Risiken unverzüglich nach Bekanntwerden im Rahmen einer sogenannten Ad-hoc-Mitteilung öffentlich bekannt zu machen, wie die Staatsanwaltschaft betonte. Insbesondere Besitzer von Aktien könnten so ihr Kauf- oder Verkaufsverhalten darauf einstellen und Erwartungen oder Risikoeinschätzungen an die aktuelle Lage des Unternehmens anpassen.

Die Anwälte der drei Beschuldigten wiesen die Vorwürfe umgehend zurück. Winterkorns Anwalt Felix Dörr erklärte, die Anklage sei "in tatsächlicher sowie in rechtlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar". Sein Mandant habe keine frühzeitige Kenntnis von dem gezielten Einsatz einer verbotenen Motorsteuerungssoftware in US-Diesel-Pkw gehabt. Er habe sich auf "eine korrekte und gesetzeskonforme Arbeit" der zuständigen Mitarbeiter verlassen.

Diess’ Anwalt Tido Park betonte, sein Mandant sei erst im Juli 2015 zu VW gekommen. Er habe erst "Wochen danach" überhaupt von den "Komplikationen" mit den Dieselmotoren in den USA erfahren und habe "natürlich" nicht gewusst, dass die US-Behörden "falsch informiert" worden seien.

Die Anwaltskanzlei von Pötsch, Grubb Brugger, erklärte, ihr Mandant habe im Sommer 2015 zwar "mehrfach Berührung mit der US-Dieselproblematik" gehabt. Diese Informationen hätten aber weder Inhalt noch Qualität gehabt, um daraus eine kapitalmarktrechtliche Relevanz zu erkennen. Weder die vorsätzliche Manipulation von Abgaswerten noch die beispiellose Schwere der Sanktion der US-Behörden gegen VW seien für Pötsch damals "vorstellbar oder absehbar" gewesen.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte bereits am 15. April Anklage gegen Winterkorn sowie vier weitere Führungskräfte wegen schweren Betrugs erhoben. Medienberichten zufolge hält das Landgericht Braunschweig die Arbeit der Staatsanwaltschaft hier aber für unzureichend und fordert ein Sachverständigengutachten zur Klärung grundlegender Fragen.

Seit September 2018 läuft zudem in Braunschweig ein Musterverfahren, in dem Anleger milliardenschwere Schadenersatzansprüche gegen VW geltend machen wollen. Ihre Forderungen summieren sich auf rund neun Milliarden Euro.

Vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Braunschweig beginnt am kommenden Montag außerdem ein Musterfeststellungsverfahren gegen Volkswagen wegen der unzulässigen Abschalteinrichtungen. Der Klage haben sich mehr als 440.000 Dieselbesitzer angeschlossen.

(L.Møller--DTZ)

Empfohlen

Ex-Diktator von Suriname im Alter von 79 Jahren gestorben

Der frühere surinamische Diktator und später gewählte Präsident Desi Bouterse ist nach Regierungsangaben im Alter von 79 Jahren gestorben. Der amtierende Staatschef des südamerikanischen Landes, Chan Santokhi, sprach Bouterses Angehörigen am Mittwoch sein "aufrichtiges Beileid" aus und rief dessen Anhänger dazu auf, "Würde und Ruhe zu bewahren, den Frieden und die Ordnung aufrechtzuerhalten und im Geiste dieser besonderen Tage zu beten". Bouterse hatte vor seinem Tod versteckt gelebt: Er war vor der Strafverfolgung nach einer Verurteilung wegen der Tötung politischer Gegner geflüchtet.

Aserbaidschanisches Passagierflugzeug in Kasachstan abgestürzt - 28 Überlebende

In Kasachstan ist ein aserbaidschanisches Passagierflugzeug mit 67 Menschen an Bord abgestürzt. Nach jüngsten Angaben des kasachischen Katastrophenschutzministeriums überlebten 28 Menschen den Absturz am Mittwoch, zur genauen Opferzahl wurden zunächst keine Angaben gemacht. Laut dem kasachischen Verkehrsministerium hatte sich die Linienmaschine der staatlichen aserbaidschanischen Fluggesellschaft Azerbaijan Airlines auf dem Weg von Aserbaidschans Hauptstadt Baku nach Grosny in der russischen Teilrepublik Tschetschenien befunden.

American Airlines setzt wegen technischen Problems kurzzeitig alle US-Flüge aus

Die US-Fluggesellschaft American Airlines hat wegen eines technischen Problems am Dienstag vorübergehend alle Flüge innerhalb der Vereinigten Staaten ausgesetzt. American Airlines habe am Morgen "ein technisches Problem" gemeldet und beantragt, dass alle Flüge am Boden bleiben sollten, teilte Bridgett Frey von der US-Luftfahrtbehörde FAA mit. Diese Maßnahme sei inzwischen wieder aufgehoben worden.

Verivox: Preise für Solaranlagen in zwölf Monaten um zehn Prozent gesunken

Solaranlagen für das Eigenheim werden immer günstiger: Der durchschnittliche Preis für Einfamilienhaus-Photovoltaikanlagen sank nach Angaben der Vergleichsportale Verivox und Selfmade Energy innerhalb der letzten zwölf Monate um rund zehn Prozent. Damit habe sich dieser Preis um über 1650 Euro verbilligt, erklärte Verivox am Dienstag.

Textgröße ändern: