In Deutschland soll es wieder "mehr summen und brummen"
Eine Abkehr von Glyphosat, besserer Insektenschutz und mehr Tierwohl in den Ställen: Die Bundesregierung hat ein umfangreiches Agrar-Paket für eine umweltverträglichere Landwirtschaft auf den Weg gebracht - und damit Lob aber auch massive Kritik geerntet. Erbost über das "toxische" Maßnahmenbündel reagierte der Deutsche Bauernverband, auch die Chemiebranche protestierte.
Gleich drei Vorhaben beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin: ein Aktionsprogramm für den besseren Schutz von Insekten, die Einführung eines staatlichen Tierwohllabels und eine stärkere Umschichtung von EU-Geldern, die für Bauern Umweltmaßnahmen attraktiver machen soll.
Vorgestellt wurden die Vorhaben demonstrativ gemeinsam von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Auch Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) nahm an der Pressekonferenz teil: Ihr Haus will die Wirksamkeit der Maßnahmen und den Erhalt der Artenvielfalt mit weiterer Forschung flankieren.
Beim Insektenschutz sind vor allem deutliche Einschränkungen beim Einsatz von Pestiziden sowie strengere Vorschriften für Schutzgebiete vorgesehen. Angesichts des dramatischen Insektensterbens sei eine "Trendumkehr" nötig, betonte Schulze. "Es muss wieder mehr summen und brummen", forderte die Ministerin und warnte davor, dass etwa Obst und Gemüse zu "Luxuswaren" werden könnten, wenn Bestäuber fehlten.
Konkret vorgesehen ist nun, dass die Bundesregierung den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat "zum europarechtlich frühestmöglichen Zeitpunkt im Jahr 2023" komplett verbietet und bereits vorher "deutlich" einschränkt. Derzeit ist Glyphosat noch bis Ende 2022 in der EU zugelassen.
Schulze zufolge soll die Menge von Pestiziden aber schon vorher um 75 Prozent reduziert werden. Klöckner betonte, die Anpassungen sollten "nicht gegen, sondern mit der Landwirtschaft" angegangen werden. "Pflanzenschutzmittel werden wir immer brauchen", sagte sie und warb für eine differenzierte Betrachtung der Notwendigkeit von Pestiziden.
"Ich komme aus einer Region, wo früher mit Hubschraubern Pflanzenschutzmittel ausgesprüht worden sind", sagte sie. "Diese Zeiten sind vorbei", fügte Klöckner hinzu und verwies auf die Bestimmung des jeweiligen Bedarfs etwa durch Drohnen oder Sensoren im Boden. "Bei der Digitalisierung der Landwirtschaft geht die Post ab." Den Landwirten werde durch die Änderungen gleichwohl "einiges abverlangt", sagte Klöckner.
Bei den Direktzahlungen der EU im Zuge der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) soll es künftig eine Umschichtung hin zur sogenannten zweiten Säule geben - von bislang 4,5 auf sechs Prozent. In der ersten Säule erhalten Bauern Geld je Fläche aus Brüssel. Die zweite Säule soll unter anderem Umwelt- und Klimaschutz fördern.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) reagierte auf das Agrar-Paket der Bundesregierung mit scharfer Kritik. "Dieses Paket ist für die Landwirte toxisch", erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten werde die Landwirte mit zusätzlichen Auflagen belasten und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit "deutlich schwächen". Die Umverteilung bei der Agrarförderung bedeute "zusätzliche schmerzhafte Einschnitte im Einkommen der Bauern".
Der Chemiekonzern Bayer, der im vergangenen Jahr den US-Glyphosathersteller Monsanto übernommen hatte, bedauerte das für Ende 2023 angepeilte Glyphosat-Verbot. "Wir sehen die Entscheidung der Bundesregierung kritisch", sagte Vorstandsmitglied Liam Condon. "Der Beschluss ignoriert das seit Jahrzehnten bestehende wissenschaftliche Urteil unabhängiger Zulassungsbehörden auf der ganzen Welt, dass Glyphosat bei ordnungsgemäßer Anwendung sicher ist." Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) beklagte einen "massiven Verlust an Planungssicherheit" für die Branche.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) forderte indes ein früheres Ende der Glyphosat-Zulassung. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte die Umschichtung der EU-Fördermittel, mahnte aber einen noch ambitionierteren Umbau der Landwirtschaft an.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) begrüßte die Einführung des Tierwohllabels. Das geplante freiwillige Label, das zunächst für Schweinefleisch gelten soll, könne aber nur ein erster Schritt sein. Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte die Kennzeichnung hingegen als "staatlichen Tierschutzschwindel" - nötig seien gesetzliche Vorgaben für die Tiergesundheit. Die Organisation Germanwatch forderte eine Pflichtkennzeichnung wie bei Eiern.
(A.Stefanowych--DTZ)