Studie beziffert Folgekosten des Verkehrs für Gesellschaft auf 149 Milliarden Euro
Unfälle, Krankheiten, Schlafstörungen, Umwelt- und Klimaschäden: Der Verkehr belastet die Gesellschaft in Deutschland mit enormen Kosten. Sie belaufen sich einer Studie zufolge auf 149 Milliarden Euro jährlich. Der Straßenverkehr ist demnach mit knapp 95 Prozent beinahe für die gesamte Summe verantwortlich. Die Allianz pro Schiene, die für mehr Bahnverkehr eintritt, forderte das Klimakabinett der Regierung daher eindringlich zum "Einstieg in die Verkehrswende" auf.
"Die Gesellschaft zahlt einen gigantischen Preis für die Dominanz der Straße", erklärte der Geschäftsführer der Allianz, Dirk Flege. Eine Verlagerung des Verkehrs stärke den Klimaschutz und sorge für eine bessere Luftqualität, zudem sinke die Zahl der Unfallopfer drastisch. "Mutiges Umsteuern" sei billiger als weiteres Zögern.
Die Allianz pro Schiene - ein Bündnis aus Unternehmen, Umweltverbänden, Gewerkschaften, Hochschulen und Verbraucherverbänden - gab die Studie des Schweizer Infras-Instituts in Auftrag. Der Analyse liegt das Konzept der sogenannten externen Kosten zugrunde. So werden die negativen Auswirkungen bezeichnet, die individuelle Handlungen oder wirtschaftliche Aktivitäten für Dritte haben. Sie tauchen in den Kalkulationen der direkt Beteiligten und Nutznießer nicht auf, da sie von der Allgemeinheit kompensiert und bezahlt werden müssen.
Den größten Anteil an den externen Kosten des Verkehrs verursachen der Untersuchung zufolge Unfälle mit 41 Prozent. Der mit 21 Prozent zweitgrößte Kostenblock entfällt auf "vor- und nachgelagerte Prozesse" wie die Herstellung und die Entsorgung von Fahrzeugen oder die Stromproduktion. Klimakosten folgen mit 18 Prozent auf Platz drei.
Der enorme Anteil des Straßenverkehrs ist demnach nicht allein der großen Zahl von Autos und Lkw in Deutschland zuzuschreiben. Auch in der Betrachtung pro gefahrenen Kilometer schneiden Autofahrer erheblich schlechter ab. Die Folgekosten summieren sich bei ihnen auf elf Cent je Kilometer. Das ist laut Studie mehr als dreimal so viel wie bei Bahnfahrern. Die höchsten externen Kosten pro Personenkilometer verursacht demnach der Luftverkehr.
Der Bahnverkehr kommt laut Untersuchung aus methodischen Gründen sogar noch schlechter weg, als er eigentlich ist. Demnach nutzt er einen höheren Anteil an Strom aus erneuerbaren Quellen, was seine Umweltbilanz weiter verbessert. Dies kann aufgrund der gewählten Untersuchungs- und Datenbasis nicht abgebildet werden.
Die Studie liefere Rückenwind für die Politik, jetzt Investitionen und Innovationen für die klimafreundliche Schiene "kraftvoll und verlässlich voranzutreiben", erklärte Geschäftsführer Flege. Den "mit Abstand" größten Hebel biete die Verlagerung hin zu Verkehrsträgern mit geringen externen Kosten. Dazu kämen Effizienzverbesserungen durch technischen Fortschritt - Flege nannte etwa deutlich leisere Güterzüge - sowie die Vemeidung von Verkehr.
Die Allianz pro Schiene räumte ein, Verkehr habe auch Nutzen - er komme aber meist unmittelbar den Nutzern selbst zugute. Einen externen Nutzen aber habe etwa der Fußverkehr: Der allgemeine Gesundheitszustand des Fußgängers verbessere sich, seine Produktivität steige, er verursache weniger Kosten im Gesundheitswesen und in den Sozialversicherungen.
Der Obmann der FDP im Verkehrsausschuss des Bundestags, Torsten Herbst, nannte die Studie "einseitig und tendenziös", weil ausschließlich mit den Folgekosten des Verkehrs argumentiert werde, ohne dabei Bedeutung und Nutzen von Mobilität zu berücksichtigen. "Verkehr produziert nicht nur Kosten, sondern generiert vor allem Wohlstand und erfüllt die individuellen Mobilitätswünsche der Bürger", erklärte Herbst. Deutschland brauche kein Gegeneinander der Verkehrsträger, sondern eine sinnvolle Verknüpfung von Straße und Schiene.
Das Klimakabinett der Bundesregierung will bis zum 20. September ein Maßnahmenpaket beschließen. Jedes Ministerium soll für seinen Bereich einen Katalog zum Erreichen der Klimaziele 2030 auf den Tisch legen.
(M.Dorokhin--DTZ)