Wirtschaftsverbände kritisieren verschärfte Sanktionen gegen Unternehmen
Die deutsche Wirtschaft hat den Plänen der Bundesregierung zu höheren Bußgeldern für kriminelle Unternehmen eine deutlich Absage erteilt. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, erklärte, das Vorhaben des Bundesjustizministeriums löse "in weiten Teilen der Wirtschaft das Gefühl aus, unter einen generellen Verdacht gestellt zu werden". Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, kritisierte das geplante Vorgehen als "unserem Rechtssystem fremd". Auch vom Koalitionspartner kam Kritik.
Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte am Donnerstag einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine drastische Erhöhung von Geldbußen und die Pflicht der Justiz zu Ermittlungen bei einem Anfangsverdacht vorsieht. Demnach sollen Unternehmen bei Wirtschaftskriminalität künftig Bußgelder von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes zahlen müssen.
Beispiele seien Firmen, die Gammelfleisch verkaufen, der massenhafte Betrug an zehntausenden Kleinanlegern, Umweltstraftaten oder etwa die Explosion einer Gasleitung, weil Bauvorschriften nicht eingehalten wurden, erläuterte Lambrecht. In solchen Fällen sei es ungerecht, wenn der einzelne Arbeitnehmer verfolgt werde, das Unternehmen aber nicht - obwohl es von den Taten profitiere.
Die Obergrenze für Unternehmenssanktionen liegt bislang bei zehn Millionen Euro - egal, welche Größe sie haben. Künftig soll diese Grenze bei Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz bei zehn Prozent des Umsatzes liegen.
Der DIHK forderte "mehr Vertrauen füreinander". "Die grundsätzliche Seriosität von wirtschaftlichen Unternehmen darf nicht in Zweifel gezogen werden", bekräftigte Wansleben. Zu den Stärken des Wirtschaftsstandorts Deutschland gehöre "auch sein hohes und verlässliches Maß an Rechtssicherheit". Zwar lobte der DIHK-Geschäftsführer einige Klarstellungen im Gesetzestext, diese "ändern aber nicht die falsche Grundausrichtung".
Der BDI kritisierte, dass lediglich Einzelpersonen strafrechtlich zu belangen seien. "Unternehmen können Ordnungswidrigkeiten begehen und dafür auch zu Bußgeldzahlungen herangezogen werden. Das darf keine Aufgabe des Strafrechts werden", sagte BDI-Chef Dieter Kempf. Er warf der SPD-Ministerin Lambrecht vor, mit dem Thema Wahlkampf zu betreiben. "Das ist nicht die Art von Politik, die ich mir wünsche."
Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, kritisierte, dass der Entwurf des Justizministeriums "deutlich" über das im Koalitionsvertrag Vereinbarte hinausgehe. Die Fraktion lehne unter anderem die Einbeziehung von kleinen Vereinen und Kommunen und die Sanktionierung von bloßen Aufsichtspflichtverletzungen ab, erklärte Winkelmeier-Becker.
Ulrich Herfurth vom Verband Die Familienunternehmer sagte dem "Handelsblatt", dass die angepeilte Höhe der Geldbußen, "künftig mit einem Abbau von Arbeitsplätzen in den betroffenen Unternehmen einhergehen" dürfte. Durch die neuen Pläne würden "Menschen für etwas bestraft, was andere zu verantworten hätten", sagte Herfurth.
Bei guten internen Regeln, die den einzelnen Beschäftigten davor schützen, sich strafbar zu machen, sieht Lambrechts Gesetz Sanktionsmilderungen für die Unternehmen vor. Das sieht der Verband kritisch: Das helfe eher Großunternehmen und könne eine schwere Benachteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen bedeuten. Faktisch könnten diese den Aufwand dafür "nicht leisten", sagte Herfurth. Der jetzige Entwurf könne nur "eine allererste Diskussionsgrundlage" sein.
(L.Møller--DTZ)