Justizministerin Lambrecht sagt kriminellen Unternehmen den Kampf an
"Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein" - deshalb sagt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) Unternehmen den Kampf an, die mit kriminellen Methoden Geld machen. Sie stellte am Donnerstag einen Gesetzentwurf vor, der eine drastische Erhöhung der Geldbußen und die Pflicht der Justiz zu Ermittlungen bei einem Anfangsverdacht vorsieht. Strafbar erlangtes Geld kann der Staat demnach einziehen und die Betroffenen damit entschädigen.
Beispiele seien Firmen, die Gammelfleisch verkaufen, der massenhafte Betrug an zehntausenden Kleinanlegern, Umweltstraftaten oder etwa die Explosion einer Gasleitung, weil Bauvorschriften nicht eingehalten wurden, erläuterte Lambrecht. In solchen Fällen sei es ungerecht, wenn der einzelne Arbeitnehmer verfolgt werde, das Unternehmen aber nicht - obwohl es von den Taten profitiere. "Unternehmen dürfen die Verantwortung für Straftaten nicht auf Einzelne im mittleren Management oder sogar einfache Beschäftigte abwälzen."
Die Obergrenze für Unternehmenssanktionen liegt bislang bei zehn Millionen Euro - egal, welche Größe sie haben. Künftig soll diese Grenze bei Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz bei zehn Prozent des Umsatzes liegen. Bei großen Konzernen kann dies Milliardensummen erreichen. Kriminelle Konzerne sollten Sanktionen "nicht aus der Portokasse bezahlen können", betonte die Ministerin.
Eine weitere "Kernbotschaft" des geplanten neuen Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität sei die Umstellung vom Opportunitäts- zum Legalitätsprinzip, sagte Lambrecht weiter: "Die Staatsanwälte müssen bei einem Anfangsverdacht gegen ein Unternehmen ermitteln." Bislang stand dies im Ermessen der Justiz; entsprechend uneinheitlich war der Strafverfolgungsdruck.
Mit dem Gesetz will die Ministerin Unternehmen aber auch "animieren", sich selbst interne Regeln zu geben, die den einzelnen Beschäftigten davor schützen, sich strafbar zu machen. Für die Unternehmen gibt es dann Sanktionsmilderungen. Für unternehmensinterne Untersuchungen - in vielen Betrieben bei Verdacht auf Straftaten schon die Regel - schafft das Gesetz laut Lambrecht zudem einen klaren Rechtsrahmen, etwa mit Vorschriften zur Befragung von Arbeitnehmern.
SPD und Union hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, Wirtschaftskriminalität wirksam zu verfolgen und angemessen zu ahnden. Lambrecht betonte, sie habe sich mit dem Gesetzentwurf eng an die Vereinbarungen gehalten. Sie rechnet aber nicht damit, dass das Gesetz noch in diesem Jahr vom Bundestag verabschiedet wird.
Der stellvertretende CSU-Landesgruppenvorsitzende Hans Michelbach kritisierte die Pläne als "Generalangriff auf die Unternehmen". Lambrecht wolle ein allgemeines Unternehmensstrafrecht einführen, "das am Ende vor allem eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Rechtsanwälte ist", erklärte er. Das Risiko, das daraus für kleine und mittlere Unternehmen entstehe, sei dabei "ungleich größer" als das Risiko für Konzerne, die sich große Rechtsabteilungen leisten könnten.
Insgesamt schaffe die Ministerin mit dem Gesetz "ein Anreizprogramm für Investitionsverlagerungen in einer Zeit, in der Unternehmen wegen der deutlich nachlassenden Wachstumsdynamik noch viel genauer darüber nachdenken, wo sie als nächstes investieren", bemängelte Michelbach.
Der stellvertretende rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), lobte dagegen, nun komme "endlich Schwung" in ein lang erwartetes Gesetzesvorhaben. "Für mich ist dabei klar, dass beim neuen Gesetz nicht die Bestrafung im Mittelpunkt stehen darf", betonte Luczak. Besser seien Anreize für Unternehmen, sich zukünftig gesetzestreu zu verhalten.
Auch Transparency Deutschland würdigte, dass endlich ein Gesetzentwurf vorliege, "der es auch in Deutschland ermöglichen soll, betrügerische Machenschaften wie in der Automobilindustrie oder im Bankgewerbe mit fühlbaren Strafen zu ahnden". Unternehmen müssten als Ganzes die Konsequenzen für Fehlverhalten verantworten. Nur so könne verlorengegangenes Vertrauen nach den zahlreichen Skandalen der vergangenen Jahre wieder hergestellt werden.
(W.Uljanov--DTZ)