Gesetzlicher Unfallschutz kann schon am Probearbeitstag gelten
Stellenbewerber können auch schon an einem Probearbeitstag unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Das entschied am Dienstag das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel; es rückte damit von seiner früheren Rechtsprechung ab. Voraussetzung ist demnach, dass die Tätigkeit über ein reines Ausprobieren hinausgeht und auch für den Betrieb einen wirtschaftlichen Wert hat. (Az: B 2 U 1/18)
Der Kläger hatte sich bei einem Entsorgungsunternehmen als Lkw-Fahrer beworben. Beim Vorstellungsgespräch wurde zunächst ein unbezahlter Probearbeitstag vereinbart. In dem Betrieb war dies üblich, weil manche Bewerber wegen eines Ekels vor Müll für die Tätigkeit nicht geeignet sind.
Während seiner Probearbeit fiel der Mann von der Ladebordwand des Lkw und verletzte sich schwer am Kopf. Die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik lehnte unter Hinweis auf alte BSG-Rechtsprechung eine Entschädigung als Arbeitsunfall ab.
Zuletzt 1987 hatte das BSG im Fall einer Pferdewirtin entschieden, dass während eines Probearbeitstags das Eigeninteresse der Bewerberin an der Arbeitsstelle im Vordergrund stehe, so dass sie noch nicht dem gesetzlichen Unfallschutz unterliege.
Mit seinem neuen Urteil rückte das BSG davon nun ab. Der Lkw-Fahrer sei zwar noch nicht als "Beschäftigter", wohl aber als "Wie-Beschäftigter" versichert gewesen. Denn er habe sich die Arbeit nicht nur angesehen oder ein "letztlich wertloses Probestück" geschaffen. Vielmehr habe er regulär mitgearbeitet, was auch für den Arbeitgeber von wirtschaftlichem Wert war. Zudem habe hier auch die Firma ein erhebliches Interesse gehabt, vor einer Festeinstellung die Eignung zu klären.
Zudem verwiesen die Kasseler Richter darauf, dass Probetage heute weit verbreitet seien. Sie generell vom gesetzlichen Unfallschutz auszunehmen, würde die Ziele des Gesetzgebers unterlaufen.
Der heute 39-jährige Lkw-Fahrer ist durch die Unfallfolgen immer noch schwer beeinträchtigt. Derzeit wird eine Erwerbsunfähigkeitsrente geprüft. Nach dem Kasseler Urteil stehen ihm nun umfassende Leistungen und gegebenenfalls auch Rentenzahlungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu.
(O.Tatarinov--DTZ)