Deutschlands Wirtschaft im zweiten Quartal leicht geschrumpft
Die internationalen Handelskonflikte und das Brexit-Chaos haben die deutsche Wirtschaft hart ausgebremst: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im zweiten Quartal um 0,1 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem "Weckruf und Warnsignal" - jetzt gelte es, mit den "richtigen Maßnahmen" eine Rezession zu verhindern. Wirtschaftsverbände forderten die Abkehr von der schwarzen Null.
Die außenwirtschaftliche Entwicklung habe das Wirtschaftswachstum gebremst, erklärte das Statistische Bundesamt. Die Exporte seien im Vergleich zum Vorquartal stärker zurückgegangen als die Importe. "Die schwelenden Handelskonflikte fordern ihren Tribut – und das bekommt die exportorientierte deutsche Industrie besonders zu spüren", sagte Altmaier der "Bild"-Zeitung.
Im ersten Quartal war das BIP noch um 0,4 Prozent gewachsen. Der Rückgang in den Monaten April bis Ende Juni war der zweite binnen kurzer Zeit: Schon im Herbst 2018 war die deutsche Wirtschaft um 0,1 Prozent geschrumpft.
Experten warnten vor einer Rezession. Sie ist gegeben, wenn die Wirtschaftsleistung in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen zurückgeht. Das Risiko einer Rezession in Deutschland sei weiter gestiegen, sagte etwa Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. "Dramatischer als der geringe Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal sind dabei allerdings noch die Aussichten auf die kommenden Monate." Vor allem die Auftragseingänge und die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe deuteten nicht auf eine schnelle Besserung hin.
Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärte, eine Wende sei derzeit nicht in Sicht. Die Geschäftserwartungen gingen in allen Branchen zurück. Die Erwartungen an das Auslandsgeschäft seien so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr.
Positive Signale kamen laut Statistikamt aus dem Inland. Die privaten Konsumausgaben waren höher als im ersten Quartal. Der Arbeitsmarkt blieb auf Wachstumskurs - mit 45,2 Millionen Erwerbstätigen waren ein Prozent mehr im Job als im Vorjahresquartal. Auch der Staat gab mehr für den Konsum aus. Zudem wurde mehr investiert. Die Bauinvestitionen allerdings gingen laut Statistik zurück.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte die finanzpolitische Wende: Die Politik müsse rasch kräftige Impulse für die öffentliche und private Investitionstätigkeit setzen. Deutschland verfüge nach einem wirtschaftlich starken Jahrzehnt mit einem sehr hohen Beschäftigungsstand und solide finanzierten öffentlichen Haushalten über Spielraum.
Der DIHK forderte, die Unternehmen steuerlich zu entlasten. Der Durchschnitt der Steuerbelastung für Unternehmen in den westlichen Industrieländern liege bei rund 24 Prozent, in Deutschland zahlten Personen- und Kapitalgesellschaften rund 30 Prozent Unternehmensteuern. "Wenn wir hier nicht gegensteuern, wird die deutsche Wirtschaft bei nachlassender Konjunktur regelrecht in die Zange genommen."
Altmaier zeigte sich offen: "Wir sind in einer Konjunkturschwäche, aber noch nicht in einer Rezession. Die können wir verhindern, wenn wir die richtigen Maßnahmen ergreifen." Nötig sei eine kluge Wachstumspolitik, die Arbeitsplätze sichere. Dazu zählten Entlastungen der Unternehmen, insbesondere des Mittelstands. Konkret schlug Altmaier Entlastungen bei der Körperschaftsteuer und einen klaren Fahrplan für die vollständige Abschaffung des Soli in der kommenden Legislatur vor.
"Und wir müssen Investitionen in die Digitalisierung und in Zukunftstechnologien sicherstellen, damit unsere Wirtschaft international stark bleibt", sagte Altmaier der "Bild"-Zeitung. Die Wirtschaft benötige jetzt klare Rahmenbedingungen und Aufbruchsignale. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verwies auf sein geplantes "Arbeit-von-morgen"-Gesetz, das im Krisenfall Arbeitnehmer vor Jobverlust schützen soll. Heil betonte, es gebe zwar eine "massive Konjunkturabkühlung", er aber "würde noch nicht von einer Wirtschaftskrise sprechen".
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Dienstag klargestellt, dass sie "im Augenblick für ein Konjunkturpaket keine Notwendigkeit" sehe. Sie wolle "situationsgerecht agieren" und plädiere für "beständige Investitionen". Merkel verwies darauf, dass die Bundesregierung Entlastungen beim Solidaritätszuschlag plane sowie den Bürokratieabbau vorantreiben und für Investitionen in den Klimaschutz sorgen wolle. "Das sind Sachen, mit denen wir die Binnenkonjunkturnachfrage noch einmal ankurbeln können", sagte die Kanzlerin.
(O.Tatarinov--DTZ)