EU einigt sich auf Georgieva als Kandidatin für IWF-Spitze
Die EU hat die Vize-Weltbankchefin Kristalina Georgieva für den höchsten Posten beim Internationalen Währungsfonds (IWF) nominiert. Die Bulgarin sei nun die "europäische Kandidatin" für die Nachfolge von IWF-Chefin Christine Lagarde, teilte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire am Freitagabend im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Georgieva hatte sich in einer Abstimmung der EU-Staaten gegen den früheren Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem durchgesetzt. Das knappe Ergebnis machte deutlich, wie gespalten die EU in der Frage war.
Georgieva soll Nachfolgerin der amtierenden IWF-Chefin Lagarde werden, die im September aus dem Amt scheidet, um Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) zu werden. "Wir werden sie alle unterstützen", kündigte Le Maire an.
Sie fühle sich "geehrt" durch ihre Nominierung, erklärte die 65-jährige Georgieva auf Twitter. Ihren Posten als Vize-Weltbankchefin werde sie während des Bestätigungsprozesses ruhen lassen. Dijsselbloem gratulierte Georgieva auf Twitter zu dem Ergebnis und wünschte ihr "den größtmöglichen Erfolg".
Die Bulgarin und der frühere niederländische Finanzminister waren die letzten verbliebenen Bewerber um den IWF-Chefposten, nachdem der finnische Zentralbankchef Olli Rehn ebenso wie der derzeitige Eurogruppenchef Mário Centeno und die spanische Finanzministerin Nadia Calvino ihre Kandidatur zurückgezogen hatten.
Bei der EU-internen Abstimmung erhielt Georgieva am Freitagabend nach Angaben eines EU-Diplomaten die Unterstützung von 56 Prozent der Länder, die 57 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Damit verpasste sie die qualifizierte Mehrheit, die eine Zustimmung von mindestens 55 Prozent der Mitgliedsländer vorsieht, die 65 Prozent der 500 Millionen EU-Bürger repräsentieren.
Das enge Rennen machte die Spaltung insbesondere zwischen südlichen und nördlichen EU-Staaten in dieser Frage deutlich. Laut AFP-Informationen wollten südliche EU-Staaten Dijsselbloem verhindern, weil er Befürworter strikten Sparens sei.
Die Bulgarin wurde von Frankreich und den südeuropäischen Ländern unterstützt, der Niederländer unter anderem von Deutschland. Um IWF-Chefin zu werden, braucht sie noch die Zustimmung der übrigen IWF-Mitglieder. Traditionell wird der IWF von einem Europäer geführt, die Weltbank von einem US-Staatsbürger.
Derzeit darf der IWF-Chef zur Zeit seiner Nominierung allerdings nicht älter als 65 Jahre sein. Das würde eine Nominierung Georgievas ausschließen, die am 13. August 1953 geboren wurde. Die anderen IWF-Mitglieder müssten für sie eine Ausnahme machen, "und das ist nicht sicher", wie es hieß.
"Die Geschichte ist heute Abend noch nicht zu Ende", hieß es aus EU-Kreisen. Georgievas Kandidatur werde nicht von allen unterstützt und der Konsens sei "mit der Brechstange" erzwungen worden, hieß es aus einer anderen Quelle. Dies könnte andere Anwärter dazu ermutigen, ihren Hut in den Ring zu werfen. Im Gespräch war unter anderem der britische Zentralbankchef Mark Carney, der die britische, kanadische und irische Staatsangehörigkeit hat.
Zudem fordern die Schwellenländer seit Jahren, mehr Berücksichtigung bei der Besetzung von Posten in internationalen Institutionen zu erfahren. Nach AFP-Informationen könnten sie den Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), den Mexikaner Agustín Carstens, ins Gespräch bringen.
Die promovierte Ökonomin Georgieva ist mit der internationalen Finanzwelt gut vertraut. Einen Großteil ihrer Karriere verbrachte sie bei der Weltbank, dort spezialisierte sie sich auf Umweltwirtschaft. 2017 wurde sie deren Geschäftsführerin.
Zwischen 2010 und 2014 war sie EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe, von 2015 bis 2016 Vizepräsidentin der EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker und Kommissarin für Finanzplanung, Haushalt und Personal.
(Y.Ignatiev--DTZ)