Kritische Fragen zu EZB-Anleihekäufen von der Richterbank
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat sich am Mittwoch erneut mit dem Billionen-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Kauf von Staatsanleihen beschäftigt und dabei seine Skepsis hinsichtlich der Maßnahme erkennen lassen. Es ging um die Frage, ob das Programm mit der Verfassung vereinbar ist. Kritiker sehen in den Anleihekäufen eine indirekte Haushaltsfinanzierung hochverschuldeter Staaten.
Die Richter fragten etwa, ob die negativen Auswirkungen des Ankaufprogramms wie die anhaltende Nullzins-Phase für Sparer, der Anstieg der Immobilienpreise und Probleme für Renten- und Lebensversicherungen im Verhältnis zu dem Ziel stünden, die Inflation bei zwei Prozent zu halten. Der Vertreter des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft, Klaus Wiener, bezweifelte in der Verhandlung, ob das Anleiheprogramm überhaupt einen Effekt auf die Inflation habe.
Bei den Richtern herrschte offenbar Zweifel, ob die EZB mit ihrem Anleihekauf nicht doch vor allem schwächere EU-Staaten finanziert habe, was die Verträge von Maastricht verbieten. Berichterstatter Peter Huber sagte etwa, dass längst offensichtlich sei, dass mit den Anleihekäufen in Billionenhöhe schwächere Länder finanziert würden. Kläger Joachim Starbatty sagte dazu, es gehe der EZB "nicht um die Inflation, sondern darum, die Eurozone zusammen zu halten".
Das Bundesverfassungsgericht hatte seit Dienstagnachmittag zum zweiten Mal über das Programm der EZB zum Kauf von Staatsanleihen verhandelt. Die EZB kauft seit 2015 im Rahmen des so genannten "Public Sector Purchase Program" (PSPP) Staatsanleihen von Euroländern, um einer möglichen Deflation in der Eurozone vorzubeugen. Bis Ende 2018 pumpte die Zentralbank auf diese Weise 2,6 Billionen Euro in die Finanzmärkte, beendete das Programm Ende 2018 aber vorläufig.
Kritiker sehen darin eine indirekte Haushaltsfinanzierung hochverschuldeter Staaten und erhebliche Risiken für die Staatshaushalte der Euroländer. Sie klagten bereits 2015 vor dem Bundesverfassungsgericht.
Karlsruhe legte die Klagen gegen das Anleiheprogramm 2017 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zur Entscheidung vor, unterstützte aber bereits damals in einer vorläufigen Beurteilung die Bedenken der Kläger. Der EuGH widersprach der Beurteilung der Karlsruher Richter in seiner Entscheidung in allen Punkten. Die EZB sei befugt diese Käufe zu tätigen, sie fielen in den Bereich der Währungspolitik und berücksichtigten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Deshalb steht in der Verhandlung nun auch das Urteil des EuGH in der Kritik. Der Klagevertreter Dietrich Murswiek sagte dazu bereits am Dienstag, dass mit dem EuGH als Kontrolleur der EZB der "Bock zum Gärtner" gemacht worden sei. Das Luxemburger Gericht habe bisher noch nie ein Urteil gegen eine EU-Institution gefällt. Auch der Berichterstatter des Verfassungsgerichts, Peter Huber, ließ Kritik am Urteil des EuGH erkennen. In der Abwägung der Verhältnismäßigkeit der Billionen-Maßnahme sei das, was Luxemburg schreibe, "einigermaßen diffus".
Der Vorsitzende des Senats, Andreas Voßkuhle, stellte in der Verhandlung jedoch klar, dass es nicht Aufgabe des Gerichts sei, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs europarechtlich zu überprüfen. Die Karlsruher Richter hätten allein zu prüfen, ob die EZB mit ihrem Ankaufprogramm zur Stützung von Euro-Staaten seine Kompetenzen überschritten habe und ob der "unantastbare Kerngehalt des Grundgesetzes" angetastet sei.
Mit einem Urteil der Richter ist erst in einigen Monaten zu rechnen.
(M.Dorokhin--DTZ)