Europäische Bankenunion von Grundgesetz und EU-Verträgen gedeckt
Die europäische Bankenunion verstößt weder gegen EU-Recht noch gegen das Grundgesetz. Wie das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil entschied, haben Bundesregierung und Bundestag bei ihrer Zustimmung zur gemeinsamen Bankenaufsicht und dem gemeinsamen Abwicklungsmechanismus für notleidende Banken ihre Kompetenzen nicht überschritten. Die demokratische Kontrolle sei ausreichend stark. (Az 2BvR 1685/14 und 2 BvR 2631/14)
Die Kläger um den Berliner Juristen und Wirtschaftswissenschaftler Markus Kerber hatten 2014 Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil sie glauben, dass die Bankenunion von EU-Verträgen und Grundgesetz nicht gedeckt sei. Sie fürchten, dass Deutschland für ausländische Banken haften müsste.
Deutschland hatte 2013 gemeinsam mit den anderen Ländern der Eurozone die Kontrolle sogenannter "bedeutender" Banken in die Hände der Europäischen Zentralbank (EZB) gelegt (sogenannter Single Supervisory Mechanism, SSM). Die EZB kontrolliert gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden derzeit insgesamt 114 systemrelevante Banken. In Deutschland sind das unter anderem Deutsche Bank und Commerzbank.
Außerdem richteten die Staaten einen gemeinsamen Ausschuss ein, der die Abwicklung von Pleitebanken vereinheitlichen soll (Single Resolution Mechanism, SRM). Dazu gehört auch ein gemeinsam von den Banken gespeister Fonds, der dann einspringen soll, wenn das Vermögen von Eigentümern und Gläubigern einer Pleitebank nicht mehr ausreicht. So soll verhindert werden, dass die nationalen Regierungen die Bank mit Steuergeldern retten müssen - wie während der Finanzkrise. Der Fonds befindet sich derzeit noch im Aufbau und soll Ende 2023 rund 60 bis 70 Milliarden Euro umfassen.
Wie die Verfassungsrichter nun feststellten, dürfen die Mitgliedsstaaten laut den EU-Verträgen "besondere Aufgaben" bei der Bankenaufsicht an die EZB übertragen. Durch die besondere Konstruktion des SSM sei die Aufsicht aber "nicht vollständig" an die EZB übertragen worden. Stattdessen habe die EZB nur die Kompetenzen übertragen bekommen, die "für eine kohärente und wirksame" Politik der EU in diesem Bereich "zwingend erforderlich" seien. Die nationalen Aufsichtsbehörden wie die deutsche Bafin hätten weiterhin "umfangreiche Befugnisse". Beispielsweise liegt die Kontrolle von kleineren Kreditinstituten nach wie vor in nationaler Hand.
Dem Verfassungsgericht zufolge ist es zwar "bedenklich", dass durch die Bankenaufsicht weitere Kompetenzen zum "weitreichenden und schwer einzugrenzenden" Mandat der EZB bei der Währungspolitik hinzukommen - die EZB stehe aber nach wie vor unter ausreichender Kontrolle durch EU und nationale Parlamente.
Ebenso verhalte es sich mit dem unabhängig handelnden Abwicklungsausschuss, dessen Rechenschaftspflichten gegenüber Parlamenten und Gerichten eine "hinreichende demokratische Steuerbarkeit" sicherstelle, wie die Verfassungsrichter entschieden. Der Abwicklungsfonds schließlich begründe keine Haftung der Mitgliedstaaten, da es sich um Gelder der Banken handelt. Da die Gelder aus den nationalen Sicherungsfonds transferiert und nicht von der EU direkt erhoben werden, sei auch die "haushaltspolitische Gesamtverantwortung" des Bundestags nicht berührt.
Zusammenfassend sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle: "Die Regelungen zur Europäischen Bankenunion schöpfen den vorgegebene Rechtsrahmen sehr weitgehend aus, überschreiten ihn aber nicht."
Am Nachmittag wollte sich das Bundesverfassungsgericht in einer mündlichen Verhandlung erneut mit der Frage befassen, ob das Billionen-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Kauf von Staatsanleihen mit der Verfassung vereinbar ist. Kritiker sehen in den Anleihenkäufen eine indirekte Haushaltsfinanzierung hochverschuldeter Staaten. Die Verhandlung ist bis Mittwochnachmittag angesetzt; ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.
(L.Møller--DTZ)