Chinas Wirtschaftswachstum so niedrig wie seit fast 30 Jahren nicht
Chinas Wirtschaft ist im zweiten Quartal so wenig gewachsen wie seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr. Angesichts des Handelsstreits mit den USA legte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt um 6,2 Prozent zu, wie offizielle Zahlen vom Montag zeigten. Damit bewegt sich China allerdings innerhalb des von der Führung in Peking für dieses Jahr prognostizierten Wachstumskorridors.
Im ersten Quartal hatte das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bei 6,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gelegen. Für das Gesamtjahr hat die Regierung ein Wirtschaftswachstum zwischen 6,0 und 6,5 Prozent im Vergleich zu 2018 veranschlagt. Im vergangenen Jahr hatte China sein BIP um 6,6 Prozent gesteigert - das war der geringste Anstieg seit 28 Jahren.
Die Entwicklung im zweiten Quartal dieses Jahres ist nun der schwächste Wert seit Beginn der vierteljährlichen Datenerhebung 1992, wie die Finanznachrichtenagentur Bloomberg berichtete. Das wirtschaftliche Umfeld sei sowohl im Ausland als auch in China "kompliziert", sagte der Sprecher der Nationalen Statistikbehörde, Mao Shengyong. Die weltweite Konjunktur verlangsame sich, während sich Instabilität und Unsicherheiten vergrößerten.
Belastet wird die chinesische Wirtschaft durch den Handelsstreit mit den USA. US-Präsident Donald Trump wirft China unfaire Handelspraktiken zulasten von US-Unternehmen und den Diebstahl geistigen Eigentums vor. Er hat deshalb eine Strafzollspirale in Gang gesetzt, die inzwischen einen großen Teil aller Importe aus China in die USA betrifft. "Der Handelskrieg hat enorme Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft", kommentierte Analyst Edward Moya von Oanda.
Außerdem arbeitet Peking derzeit an einem umfassenden Strukturwandel für das Wachstumsmodell des Landes. Die investitionsgestützte, staatlich forcierte Expansionspolitik der vergangenen Jahrzehnte soll in ein stärker konsumgestütztes Modell übergehen. Die Regierung in Peking hatte das abflauende Wachstum zuletzt etwa mit Steuersenkungen zu stützen versucht.
Die Signale vom inländischen Konsum durch die chinesischen Verbraucher waren zuletzt aber durchwachsen: So sanken etwa die Autoverkaufszahlen in den ersten sechs Monaten des Jahres nach Angaben des Herstellerverbandes um 12,4 Prozent.
Zugleich setzte die Regierung in Peking ihren Kurs der Ausgabenzurückhaltung im Vergleich zu früheren Zeiten fort, um damit die hohe Staatsverschuldung, finanzielle Risiken und Umweltfolgen abzumildern. Die Infrastrukturausgaben stiegen im ersten Halbjahr um 4,1 Prozent - deutlich weniger als in den Vorjahren, als hier Werte von rund 20 Prozent erreicht worden waren.
Analysten rechnen nun damit, dass Peking die Unterstützung des Wirtschaftswachstums in den kommenden Monaten wieder hochfahren könnte, beispielsweise mit einer lockeren Geldpolitik der Zentralbank. "Es gibt noch viel Raum für politische Manöver", deutete auch Statistikbehördensprecher Mao an.
Angesichts des 70. Jahrestages der Gründung der Volksrepublik wird sich die Regierung nach Einschätzung von Raymond Yeung von der ANZ Bank keine Blöße geben. "Die chinesische Regierung wird nicht erlauben, dass das Quartalswachstum unter 6,0 Prozent fällt."
(Y.Ignatiev--DTZ)