Wirtschaftsweise sehen CO2-Preis als zentrales Instrument der Klimapolitik
Ein sektorübergreifender Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen, der auch Gebäude und den Verkehr miteinbezieht - das ist nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen das langfristig beste Mittel zur Eindämmung des Klimawandels. Auf dem Weg hin zu einem möglichst umfassenden Handel mit Verschmutzungsrechten als Steuerungsinstrument halten die Forscher dabei sowohl eine CO2-Steuer als auch einen separaten Emissionshandel für den Verkehrs- und Gebäudesektor für denkbar. Diese Entscheidung müsse aber die Politik treffen.
In ihrem am Freitag vorgestellten Sondergutachten zur Klimapolitik, das die Bundesregierung bei den Wirtschaftsweisen in Auftrag gegeben hatte, sprachen sich die Forscher für eine umfassende Neuausrichtung der Klimapolitik aus. Kernelement solle dabei die Entscheidung für einen CO2-Preis "als zentrales klimapolitisches Instrument sein", erklärte der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Christoph Schmidt.
Im Kern geht es dabei darum, marktwirtschaftliche Anreize zu schaffen, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen zu verringern. Auf diesem Prinzip basiert bereits der europäische Zertifikatehandel ETS, durch den bislang knapp 50 Prozent der CO2-Emissionen erfasst werden, vorwiegend im Energiesektor und in der Industrie. Betreiber müssen hierbei entweder Verschmutzungsrechte nachkaufen - oder aber sie können bei weniger eigenen Emissionen ihre Zertifikate verkaufen. Der Ausstoß von CO erhält so quasi ein Preisschild.
Zugleich betonten die Wirtschaftsweisen, dass im Kampf gegen die Erderwärmung eine möglichst globale Lösung nötig sei. Grund für Zaghaftigkeit ist das nach Einschätzung der Forscher aber keineswegs: Vielmehr könne Deutschland international als Vorbild dienen und zeigen, dass die Klimaziele "auf volkswirtschaftlich effiziente Weise und ohne größere gesellschaftliche Verwerfungen zu erreichen sind".
Solche sozialen Verwerfungen lassen sich den Wirtschaftsweisen zufolge dadurch vermeiden, dass zusätzliche Einnahmen "rückverteilt" werden - etwa durch eine Stromsteuersenkung oder Fördermaßnahmen wie Prämien für den Austausch von Heizungen. Denn die Debatte über die Klimapolitik sorgt nicht zuletzt deshalb politisch für Zündstoff, weil die Kosten für die Emissionen letztlich von den Unternehmen an die Konsumenten weitergegeben werden und damit bei den Bürgern landen, wie auch die Forscher um Schmidt betonen.
Allerdings: Wenn sich die Emissionen von Treibhausgasen nicht verringern, drohen in einigen Jahren noch weitaus höhere Kosten, wenn Deutschland beispielsweise 2030 Verschmutzungsrechte von anderen Ländern hinzukaufen müsste. "Die Gegenwelt ist nicht eine, wo alles so bleibt, wie es ist", gibt Schmidt zu bedenken.
Spätestens bis 2030 solle der europäische Emissionshandel in allen Mitgliedstaaten auf die Sektoren Verkehr und Gebäude ausgeweitet werden, fordern die Wissenschaftler. Als "Übergangslösung" biete sich entweder ein separater Emissionshandel für die beiden Sektoren an - oder auch eine CO2-Steuer.
Beide Ansätze haben nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen dabei je nach Ausgestaltung Vor- oder Nachteile. Langfristig wollen sie aber auf dem Weg hin zu einer umfassenden CO2-Bepreisung weg von einer rein "sektoralen Sicht". Die Frage zwischen Steuer oder Zertifikatehandel dürfe deshalb "nicht hochstilisiert" werden, mahnte die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete das Thema CO2-Bepreisung bei der Übergabe des Sondergutachtens als "sehr komplex". Sie begrüßte, dass die Wirtschaftsweisen die Bundesregierung ermutigten, "marktwirtschaftliche Wege zu gehen" und nicht nur auf ordnungsrechtliche Maßnahmen zu setzen. Zugleich werde es noch "breite Diskussionen" und "keine einfachen Entscheidungen" geben, zeigte sich Merkel überzeugt.
Am kommenden Donnerstag will sich das Klimakabinett mit einem Preis für CO2-Emissionen befassen, bis Ende September will die Bundesregierung eine Grundsatzentscheidung zu konkreten Klimaschutz-Maßnahmen treffen.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bezeichnete das Sondergutachten als "sehr gute Entscheidungsgrundlage für den Einstieg in eine CO2-Bepreisung". Die Umweltschutzorganisation BUND kritisierte hingegen, statt konkrete Vorschläge vorzulegen, habe der Sachverständigenrat nur "seine altbekannte ideologische Haltung zur Selbstregulierung des Marktes und gegen staatliche Maßnahmen wiederholt". Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) forderte, eine verbraucherfreundliche CO2-Bepreisung müsse an die privaten Haushalte zurückfließen.
(O.Tatarinov--DTZ)