Britischer Ex-Minister Osborne bringt sich als neuer IWF-Chef ins Spiel
Nach der Nominierung von Christine Lagarde als Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) muss der Internationale Währungsfonds (IWF) einen neuen Chef suchen. Sich selbst ins Spiel brachte der ehemalige britische Finanzminister George Osborne, wie britische Zeitungen am Donnerstag berichteten. Auch mehrere Zentralbankchefs werden bereits als mögliche Kandidaten genannt.
Lagarde war am Dienstag beim EU-Sondergipfel in Brüssel als künftige EZB-Präsidentin nominiert worden. Die 63-Jährige erklärte daraufhin, sie lasse ihren Posten an der IWF-Spitze während der Nominierungsphase ruhen. Sie war seit 2011 IWF-Chefin; ihre zweite Amtszeit endet eigentlich Mitte 2021.
Mehrere britische Zeitungen berichteten am Donnerstag unter Berufung auf Freunde Osbornes, er halte sich selbst für einen Kandidaten, der mit der Unterstützung der britischen und der US-Regierung und auch der chinesischen rechnen könne. Für den Job an der IWF-Spitze sei ein "fähiger politischer Kommunikator" nötig, "kein Technokrat", zitierte die "Financial Times" aus dem Umfeld des Ex-Ministers.
Der konservative Politiker war von 2010 bis 2016 Finanzminister unter Premier David Cameron und arbeitet derzeit als Chefredakteur der Zeitung "Evening Standard". Osborne hatte gegen die Abspaltung Großbritanniens von der EU gekämpft. In jüngster Zeit habe er sich aber den beiden Kandidaten für den Vorsitz der Tory-Partei und damit für das Amt des Premierministers angenähert, schrieb die "Daily Mail". Kürzlich sprach er sich für Brexit-Hardliner Boris Johnson aus. Als Kandidat für den IWF-Spitzenposten braucht Osborne die Unterstützung der Regierung.
In der britischen Presse wird auch Zentralbankchef Mark Carney als geeigneter Nachfolger Lagardes genannt. Seine Amtszeit an der Spitze der Bank of England endet bald, seine Kompetenz sei anerkannt. Zudem besitze er die kanadische, die britische und auch die irische Staatsbürgerschaft - damit könne er Europa repräsentieren. Traditionell steht ein Europäer an der Spitze des Internationalen Währungsfonds.
Auch der französische Zentralbankchef François Villeroy de Galhau und EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici werden als mögliche Kandidaten genannt, in Deutschland Bundesbankchef Jens Weidmann. Aus den Reihen des IWF wurde der Name Kristalina Georgieva aus Bulgarien genannt. Sie führte als Interimschefin bereits kurzzeitig die Weltbank und wäre nach Lagarde die zweite Frau an der Spitze des IWF. Der erste Schwarze wäre Tidjane Thiam, derzeit Chef der Schweizer Großbank Crédit Suisse.
Der Internationale Währungsfonds ist eine der mächtigsten Institutionen der Welt und wacht über die Stabilität des globalen Währungs- und Finanzsystems. Zu den Kernaufgaben der in Washington ansässigen UN-Sonderorganisation zählt die Unterstützung überschuldeter Staaten mit Krediten, die diese auf dem freien Markt nicht mehr oder nur mit hohen Risikoaufschlägen bekommen.
Der Währungsfonds finanziert sich über Kapitaleinlagen seiner Mitgliedsländer, deren Höhe sich ungefähr nach dem jeweiligen wirtschaftlichen Gewicht richtet. Der Kapitalanteil der Mitglieder bestimmt wiederum die Verteilung der Stimmrechte im Exekutivrat, dem höchsten Entscheidungsgremium des IWF. Das Quotensystem bevorzugt dabei die alten Wirtschaftsmächte, die USA und die Europäer verfügen jeweils über eine Sperrminorität.
(P.Vasilyevsky--DTZ)