Lange Sperrzeiten bei bewilligtem Arbeitslosengeld derzeit unwirksam
Bei einem bereits bewilligten Arbeitslosengeld sind Bescheide über eine Sperrzeit derzeit nur in einem Umfang von drei Wochen gültig. Für längere Sperrzeiten ist die von der Bundesagentur für Arbeit (BA) verwendete Rechtsfolgenbelehrung nicht konkret genug, wie am Donnerstag das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied. Betroffene können mit einem Überprüfungsantrag rückwirkend bis Anfang 2015 Arbeitslosengeld nachfordern. (Az.: B 11 AL 14/18 R und B 11 AL 17/18 R).
Im Leitfall hatte ein Arbeitslose aus Sachsen am 19. und 28. Mai sowie am 16. Juli 2013 Vermittlungsvorschläge vom Arbeitsamt bekommen. Er lehnte diese ab, weil es sich nur um eine Teilzeitbeschäftigung handelte, die Stelle seinen Interessen und Fähigkeiten nicht entsprach oder ihm der Lohn zu niedrig war.
Am 12. August 2013 setzte das Arbeitsamt drei Sperrzeiten auf einen Schlag fest: drei Wochen für die erste, sechs für die zweite und zwölf für die dritte abgelehnte Stelle. Knapp 1000 Euro Arbeitslosengeld sollte der Arbeitslose zurückzahlen. Dagegen klagte er.
Das BSG gab nun ihm und in einem Parallelfall auch einem früheren Arbeitslosen aus Hamburg teilweise recht. Dabei stützten sich die Kasseler Richter auf zwei Gründe.
Zum einen sei die damals und in diesem Punkt wortgleich bis heute verwendete Rechtsfolgenbelehrung der Bundesarbeitsagentur nicht konkret genug. Daraus sei nicht ersichtlich, wann eine Sperrzeit von drei, sechs oder zwölf Wochen eintritt. Die Arbeitsämter müssten Arbeitslose konkret bezogen auf ihre individuelle Situation belehren, forderte das Gericht. Weil Arbeitslose aber nach der bisherigen Belehrung mit mindestens drei Wochen Sperrzeit rechnen mussten, seien Bescheide über sechs oder zwölf Wochen ebenfalls für drei Wochen gültig.
Weiter kritisierte das BSG, dass die Arbeitsverwaltung in bisheriger Praxis Sperrzeiten für mehrfaches "versicherungswidriges Verhalten" bündelt. Das Gesetz beschreibe solche Verstöße aber als "Abfolge". Daher könne auch die Steigerung der Sanktion von drei auf sechs und dann auf zwölf Wochen nur in einer Abfolge von Bescheiden ergehen.
Schon in der Verhandlung hatten die Kasseler Richter betont, Arbeitslose könnten zunächst ja auch gar nicht wissen, ob das Arbeitsamt ihre Gründe für die Ablehnung einer Stelle akzeptiert. Außerdem verpuffe sonst die vom Gesetzgeber gewollte "Warnfunktion".
Es gilt die sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Kalenderjahren. Ehemals Arbeitslose, die seit Anfang 2015 eine Sperrzeit von mehr als drei Wochen bekommen haben, können daher bei ihrem Arbeitsamt einen Überprüfungsantrag stellen und Arbeitslosengeld entsprechend nachfordern.
(Y.Ignatiev--DTZ)