EU-Wettbewerbsverfahren gegen Weltmarktführer bei Chips für Modems und Decoder
Brüssel wirft dem Halbleiterhersteller Broadcom vor, mit wettbewerbschädigenden Praktiken seine marktbeherrschende Stellung auszunutzen. Die EU-Kommission leitete deshalb am Mittwoch ein kartellrechtliches Prüfverfahren ein. Die Angelegenheit sei so dringlich, dass die Behörde bereits vor Abschluss der Ermittlungen "einstweilige Maßnahmen" gegen das US-Unternehmen erlassen könnte, erklärte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Eine ungewöhnliche Drohung - der letzte derartige Fall liegt 18 Jahre zurück.
Broadcom ist weltweit führend bei der Entwicklung von Chipsätzen für Digitaldecoder, Modems und WLAN-Geräte. Die Kommission gehe davon aus, dass Broadcom diese Marktposition ausnutze, um "vertragliche Beschränkungen für den Ausschluss seiner Wettbewerber vom Markt" einzuführen, erklärte Vestager. Das geschehe etwa mittels Verträgen, die ausschließliche Abnahmeverpflichtungen enthalten, oder technischer Merkmale, die vorsätzlich die Kompatibilität von Broadcom- mit anderen Produkten einschränken.
Den Vorwürfen werde nun nachgegangen. Zudem behalte sich die Kommission jedoch vor, einstweilige Maßnahmen zu erlassen, "um dem Risiko eines ernsten, nicht wieder gutzumachenden Schadens für den Wettbewerb vorzubeugen", fügte die Wettbewerbskommissarin hinzu. Konkret betreffe das bestimmte Vereinbarungen zwischen Broadcom und sieben seiner Hauptkunden, damit diese die Chips für ihre Geräte ausschließlich oder fast ausschließlich von Broadcom erwerben.
Unabhängig vom Ausgang des Prüfverfahrens hat die Kommission dem Unternehmen deshalb eine Frist gesetzt: Broadcom hat zwei Wochen Zeit, um nachzuweisen, dass durch die besagten Vereinbarungen keine Wettbewerber aus dem Markt gedrängt werden oder anderweitig Nachteile für Verbraucher entstehen. Andernfalls muss das Unternehmen die angeprangerten Praktiken unverzüglich einstellen.
Es kommt höchst selten vor, dass die EU-Kommission von ihrem Recht Gebrauch macht, bei Wettbewerbsverstößen einstweilige Maßnahmen gegen ein Unternehmen anzustrengen. Zuletzt tat sie dies im Jahr 2001 im Streit mit dem Marktforschungsunternehmen IMS Health. Vorgesehen ist die Möglichkeit nur in Fällen, in denen wettbewerbswidriges Verhalten "den Markt irreversibel schädigen könnte".
(A.Stefanowych--DTZ)