EuGH macht strenge Vorgaben bei Messung der Luftqualität
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat strenge Vorgaben für die Messung der Luftqualität in Städten gemacht und die Rechte von Anwohnern gestärkt. Der EuGH entschied am Mittwoch in Luxemburg, dass die Grenzwerte an jeder einzelnen Station eingehalten werden müssten und keine Mittelwerte gebildet werden könnten. Bürger können demnach zudem die Standortwahl der Messstationen von Gerichten überprüfen lassen. Die Deutsche Umwelthilfe begrüßte das Urteil. (Az. C-723/17)
Die Bestimmung eines Mittelwerts aus den Ergebnissen aller Stationen in einer Stadt oder einem Ballungsraum liefere "keinen zweckdienlichen Hinweis" auf die Schadstoffbelastung der Bevölkerung, erklärte der EuGH. Für die Frage der Einhaltung der Grenzwerte sei vielmehr der an jeder Station gemessene Verschmutzungsgrad entscheidend. Für die Feststellung einer Überschreitung der Grenzwerte genüge es, wenn an einer Stelle zu hohe Werte gemessen würden.
Nationale Gerichte dürfen nach dem Urteil des EuGH zudem die Standorte der Messstationen überprüfen und auch Änderungen anordnen. Die Gerichte müssten die Einhaltung der Verpflichtungen aus der maßgeblichen EU-Richtlinie zur Luftqualität überprüfen können, stellten die Luxemburger Richter fest. Sie seien auch befugt, gegenüber den nationalen Behörden "alle erforderlichen Maßnahmen" wie beispielsweise Anordnungen zu ergreifen.
Der EuGH verwies auf strenge Vorgaben in der EU-Richtlinie und machte deutlich, dass die Bürger deren Einhaltung von Gerichten überprüfen lassen können. Die Regelungen enthielten einige "klare, präzise und nicht an Bedingungen geknüpfte Verpflichtungen", auf die sich Bürger gegenüber dem Staat berufen könnten, erklärte der Gerichtshof. Dies gelte insbesondere für die Verpflichtung, Messstellen so einzurichten, dass sie Informationen über die am stärksten belasteten Orte liefern.
Hintergrund der Entscheidung ist ein Rechtsstreit in Belgien. Mehrere Einwohner der Region Brüssel-Hauptstadt sowie die Umweltorganisation ClientEarth mit der Regionalverwaltung streiten darüber, ob ein ausreichender Luftqualitätsplan erstellt wurde. Ein Gericht in Brüssel bat den EuGH in dem Fall um Auslegung des Unionsrechts.
Fraglich ist, welchen Einfluss das Urteil auf Deutschland haben könnte. Möglicherweise kommt es auch in deutschen Städten zu Klagen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht sich durch die Entscheidung in ihrem Vorgehen bestärkt, das nach Gerichtsurteilen bereits in mehreren Städten zu Diesel-Fahrverboten führte. Alle deutschen Gerichte, die Klage der Umwelthilfe stattgegeben hätten, könnten sich bestätigt fühlen, erklärte DUH-Anwalt Remo Klinger.
Nach der EuGH-Entscheidung müssten die Länder und Städte in Deutschland sofort handeln und könnten "nicht länger durch absurde Mittelwertbildungen die tatsächliche Belastung ihrer innerstädtischen Atemluft schönrechnen", zeigte sich DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch überzeugt. Der EuGH habe sich "eindeutig für den Vorrang des Gesundheitsschutzes der Menschen vor den Profitinteressen der Dieselkonzerne ausgesprochen". Die Hoffnung der Bundesregierung und einiger Bundesländer, die Einhaltung der Grenzwerte sowie die Standorte der Messstationen in Frage zu stellen, sei "endgültig gescheitert".
(L.Møller--DTZ)