Bundesverwaltungsgericht lässt Kükentöten nur noch "übergangsweise" zu
Das massenhafte Kükentöten in der deutschen Geflügelwirtschaft soll nur noch für eine Übergangszeit erlaubt bleiben. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied am Donnerstag in einem Grundsatzurteil, das Töten von männlichen Küken sei "tierschutzrechtlich nur noch übergangsweise zulässig". Als künftige Alternative sieht das Gericht vor allem bereits bestehende Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei. Dadurch werden männliche Küken gar nicht erst ausgebrütet. (Az. BVerwG 3 C 28.16)
Rund 45 Millionen männliche Küken aus Legehennenrassen werden derzeit noch jedes Jahr in Deutschland getötet, weil ihre Aufzucht für die Brutbetriebe unwirtschaftlich ist. Im Jahr 2013 wollte die damalige rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen dies unterbinden. Doch Betriebe klagten erfolgreich gegen einen Erlass des damals von den Grünen geführten Landwirtschaftsministeriums. Das Oberverwaltungsgericht in Münster entschied im Jahr 2016, dass Kükentöten mit dem Tierschutzgesetz vereinbar sei.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte dieses Urteil zwar nun im Ergebnis, hält die Praxis in den Brutbetrieben aber nur noch vorübergehend für zulässig. Vor dem Hintergrund des im Jahr 2002 in das Grundgesetz aufgenommenen Staatsziels Tierschutz beruhe das Töten der männlichen Küken "für sich betrachtet nach heutigen Wertvorstellungen nicht mehr auf einem vernünftigen Grund", erklärte das Gericht. Laut Tierschutzgesetz darf niemand Tieren "ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen".
"Die Belange des Tierschutzes wiegen schwerer als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe, aus Zuchtlinien mit hoher Legeleistung nur weibliche Küken zu erhalten", stellten die Verwaltungsrichter klar. Anders als Schlachttiere würden die männlichen Küken zum frühestmöglichen Zeitpunkt getötet, ihre "Nutzlosigkeit" stehe von vornherein fest. Das sei nicht vereinbar mit dem Grundgedanken des Tierschutzgesetzes, "für einen Ausgleich zwischen dem Tierschutz und menschlichen Nutzungsinteressen zu sorgen".
Das Bundesverwaltungsgericht sah aber keine Möglichkeit, das Kükentöten sofort zu untersagen. Die bisherige Praxis sei jahrzehntelang hingenommen worden. Vor diesem Hintergrund könne von den Brutbetrieben eine sofortige Umstellung ihrer Betriebsweise nicht verlangt werden.
Die Richter setzen für die Zukunft vor allem auf bereits bestehende Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei, räumen den Betrieben aber eine Übergangszeit ein: Ansonsten wären sie gezwungen, "zunächst mit hohem Aufwand eine Aufzucht der männlichen Küken zu ermöglichen, um dann voraussichtlich wenig später ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei einzurichten", erklärte das Gericht.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) forderte die Betriebe auf, das Kükentöten rasch zu beenden. "Ethisch ist es nicht vertretbar", erklärte Klöckner. Die bestehenden Alternativen müssten rasch angewendet werden, "um das Kükentöten schnellstmöglich zu beenden". Sie werde Unternehmen, Verbände und Wissenschaftler dafür an einen runden Tisch zusammenholen.
Der Anwalt der vor Gericht klagenden Brutbetriebe, Martin Beckmann, rechnet mit einer baldigen Umstellung. "Für einen kurzen Zeitraum läuft die bisherige Praxis weiter", sagte Beckmann nach der Urteilsverkündung in Leipzig. Es gehe dabei um Monate, vielleicht um ein bis zwei Jahre. Die Technik zur Geschlechtsbestimmung im Ei stehe "vor dem Durchbruch".
(P.Vasilyevsky--DTZ)