Chef der UN-Arbeitsorganisation fordert Regeln gegen Belästigung am Arbeitsplatz
Der Chef der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Guy Ryder, hat die UN-Sonderorganisation dazu aufgerufen, verbindliche Regeln zum Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz einzuführen. Bei der Eröffnung der ILO-Jahreskonferenz in Genf sagte Ryder am Montag, die Delegierten sollten internationale Vorschriften verabschieden, "um Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz zu unterbinden".
Als Reaktion auf die Me-Too-Bewegung verhandelt die ILO im 100. Jahr ihres Bestehens auf ihrer Jahreskonferenz über Maßnahmen zum erweiterten Schutz von Arbeitnehmern. Eine entsprechende Konvention wäre für die Mitgliedstaaten, die sie ratifizieren, rechtlich bindend.
Arbeitgeber hatten Ryder zufolge Vorbehalte gegenüber der geplanten Anti-Belästigungskonvention geäußert, vor allem mit Blick auf die Verantwortung von Unternehmen für Belästigungsfälle, die außerhalb des Arbeitsplatzes geschehen. Außerdem verlangten die Arbeitgeber laut Ryder eindeutigere Definitionen für Handlungen, die als Belästigung oder sexuelle Gewalt gelten.
Der bisherige Resolutionsentwurf definiert "Gewalt und Belästigung" als "eine Reihe von inakzeptablen Verhaltensweisen und Praktiken ..., die tatsächlich oder wahrscheinlich zu physischen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schäden führen oder solche Schäden zum Ziel haben". Dem Entwurf zufolge soll es dabei auch um Vorfälle gehen, die während "Dienstreisen, Fortbildungen, Veranstaltungen oder sozialen Aktivitäten" auftreten.
Der Vorsitzende der Arbeitgeberdelegation, Mthunzi Mdwaba, erklärte, seine Delegation unterstütze eine verbindliche Konvention. Sie lehne jedoch Verhandlungen ab, in denen die Position der Arbeitgeber nicht gehört würde.
Die ILO nimmt eine Sonderrolle unter den UN-Organisationen ein. Ihre dreigliedrige Struktur aus Regierungen, Gewerkschaften sowie Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern erschwert oft die Entscheidungsfindung.
Die ILO ist die einzige nach dem Ersten Weltkrieg entstandene Einrichtung des Völkerbundes, die den Faschismus und den Zweiten Weltkrieg überlebt hat. Anlässlich der Jahreskonferenz zum 100. Jubiläum der Organisation reist am Dienstag auch Kanzlerin Angela Merkel nach Genf und hält dort eine Rede.
(N.Loginovsky--DTZ)