Speditionsbranche warnt wegen eklatanten Lkw-Fahrer-Mangels vor Versorgungskollaps
Die deutsche Speditionsbranche warnt wegen des grassierenden Mangels an Lkw-Fahrern vor einem drohenden "Versorgungskollaps". Derzeit fehlten insgesamt rund 60.000 Fahrer, sagte der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, am Dienstag in Berlin. Jährlich gehen demnach etwa 30.000 Fahrer in Rente und nur rund halb so viele machen ihren Führerschein. Gleichzeitig steige aber der Transportbedarf von Waren.
Vor rund einem Jahr habe erstmals in Berlin ein Supermarkt ein Hinweisschild ins Schaufenster gestellt, dass wegen Logistikproblemen nicht alle Waren wie gewohnt vorrätig seien, erinnerte der Verband. Im Hitzesommer 2018 habe es bundesweit "Lieferschwierigkeiten bei Mineralwasser" gegeben, obwohl es versandbereit war. Das Ganze sei ein europaweites Problem, sagte Engelhardt. "Ohne die Rentner geht es gar nicht mehr", verwies er auf die vielen älteren Fahrer.
Die Branche beklagte vor diesem Hintergrund ein "schlechtes Image", das dem Beruf anhafte. Längere Abwesenheiten von zu Hause, die schwierige Parkplatzsuche für Lkw-Fahrer und überhaupt eine ungünstige Work-Life-Balance seien verbunden mit einer "fehlenden Wertschätzung" für den Kraftfahrer die Hauptgründe gegen den Beruf. Frauen scheuten das Feld nach wie vor - nur 1,6 Prozent der Beschäftigten im Führerhäuschen sind weiblich.
Hinzu komme, dass die Diskussion über autonom fahrende Lkw den Eindruck erwecke, Lkw-Fahrer sei ein "Beruf ohne ausreichende Zukunftsperspektive", beklagte der BGL. Allerdings mache die Digitalisierung den Lkw-Fahrer "nicht überflüssig", sondern sie verändere lediglich das Tätigkeitsfeld. Der Lkw-Fahrer werde "auf lange Sicht hin nicht zu ersetzen sein" und der Großteil der Waren werde nach wie vor auf der Straße transportiert.
Die Branche versucht daher gezielt, nicht nur um Frauen zu werben, sondern auch für ein besseres "öffentliches Ansehen der Lkw-Fahrer". Der Verband setzte etwa kürzlich eine Frauenbotschafterin ein und brachte eine Imagekampagne auf den Weg. Dabei konkurriert die Branche nach eigenen Angaben mit der "sehr guten Kampagne des Handwerks" oder der Bahn, die ihrerseits um Fachkräfte wirbt.
Außerdem setzt sich der Verband für eine Flexibilisierung der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer ein, um ihnen etwa die Fahrt nach Hause noch zu ermöglichen, und für größere Fahrerkabinen mit Waschmöglichkeiten. Letztlich seien aber auch Industrie und Handel gefordert, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, etwa beim Be- und Entladen und beim Palettentausch, forderte der BGL.
Ein "Gehaltsproblem" sei das Ganze nicht, versichert der Verband. Vor einigen Jahren hätten Berufskraftfahrer um die 2400 Euro brutto verdient, mittlerweile seien es "deutlich über 3000". Oftmals würden Fahrer mit zusätzlichen Zuschlägen gelockt.
(N.Loginovsky--DTZ)