Thyssenkrupp spaltet Konzern doch nicht auf
Kehrtwende bei Thyssenkrupp: Der Industriekonzern hält ein Veto der Brüsseler Wettbewerbshüter gegen die ursprünglich geplante Stahlfusion mit Tata Steel aus Indien für unvermeidbar. Deshalb soll nun auch die im vergangen Jahr angekündigte Aufspaltung des Konzerns abgesagt werden, wie Thyssenkrupp am Freitag in Essen ankündigte. Statt der Teilung strebt das Unternehmen nun den Börsengang des Aufzuggeschäfts an - und streicht im Zuge der strategischen Neuausrichtung weltweit 6000 Stellen.
In Deutschland sind 4000 Stellen betroffen, die restlichen 2000 Jobs sollen im Ausland wegfallen. Es sei eine "gute Tradition des Unternehmens, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden", sagte Vorstandschef Guido Kerkhoff. Das sei diesmal "ein schwieriger Prozess". Auch Personalvorstand Oliver Burkhard sagte, angesichts der Größenordnung der geplanten Streichungen könne er "betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen".
Zuvor hatte der Konzern mitgeteilt, dass er nicht mehr mit einer Genehmigung des geplanten Stahl-Joint-Ventures von Thyssenkrupp und Tata Steel durch die EU-Kommission rechnet. Weitere Nachbesserungen würden allerdings "die angestrebten Synergieeffekte des Zusammenschlusses in einem Umfang beeinträchtigen, dass die wirtschaftliche Logik des Joint Ventures nicht mehr gegeben wäre".
Thyssenkrupp wollte seine Stahlsparte mit dem indischen Unternehmen verschmelzen und so ein Gegengewicht zu günstigem Stahl aus China bilden. Anfang Juli vergangenen Jahres besiegelten die Konzerne die Stahlfusion.
Die EU-Kommission kündigte daraufhin aber an, die Auswirkungen der geplanten Fusion auf die Stahlmärkte genau zu prüfen. Wettbewerbsfähige Stahlpreise seien für die europäische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Bedenken aus Brüssel gab es etwa bei Stahl für die Automobilindustrie und bei Verpackungsstahl, der auch für Konservendosen benutzt wird.
Dadurch dass die Fusion nun nicht zustande komme, sei wiederum eine "Neubewertung" der strategischen Optionen nötig geworden, erklärte Thyssenkrupp. Deshalb solle dem Aufsichtsrat vorgeschlagen werden, die geplante Teilung in zwei eigenständige unabhängige Unternehmen "abzusagen".
Diese Aufspaltung hatte der Konzern, der 1999 aus den Ruhrgebiets-Traditionsunternehmen Thyssen und Krupp entstanden war, Ende September angekündigt. Geplant war, zwei "fokussiertere und leistungsfähigere Unternehmen" zu schaffen. Dafür sollte Thyssenkrupp Industrials ein reines Industriegüterunternehmen werden und aus drei Einheiten bestehen - dem Aufzuggeschäft, dem Automobilzulieferergeschäft und dem Kernanlagenbau.
Thyssenkrupp Materials sollte hingegen ein Werkstoffkonzern werden, der die Stahl- und Edelstahlproduktion, den Materialhandel und die stahlnahe Weiterverarbeitung vereint. Zuvor war Thyssenkrupp unter wachsenden Druck der Aktionäre geraten, beim Umbau des Konzerns aufs Tempo zu drücken.
Die konjunkturelle Eintrübung sowie das aktuelle Kapitalmarktumfeld führten nun dazu, "dass die Teilung nicht wie vorgesehen dargestellt werden kann", erklärte der Konzern. In Brüssel sei "alles an Zugeständnissen in die Waagschale geworfen" worden, sagte Kerkhoff. "Noch mehr und das Joint Venture hätte sich nicht mehr gerechnet."
Einen Ausweg sieht der Vorstand nun darin, das Aufzugsgeschäft an die Börse zu bringen. Der erwartete Erlös verschaffe Thyssenkrupp "die Flexibilität, alle Geschäfte konsequent weiterzuentwickeln", sagte Kerkhoff. "Der Konzern bleibt als Ganzes erhalten", kündigte er an. "Gleichzeitig bauen wir ein grundlegend neues Thyssenkrupp."
Dem Aufsichtsrat sollen die Pläne demnach am Samstag vorgestellt werden. Er gehe von einer Unterstützung durch das Kontrollgremium aus, sagte Kerkhoff. Weitere Details zum Stellenabbau sollen seinen Angaben zufolge im August dargelegt werden. "Unser Anspruch ist es wie bisher, diese Veränderungen mit unseren Mitarbeitern zu gestalten und nicht gegen sie", sagte der Vorstandschef.
Die IG Metall forderte, das Geld, das ein möglicher Börsengang der Aufzugssparte in die Kasse von Thyssenkrupp spüle, müsse für die Stabilisierung des Konzerns eingesetzt werden. "Dies betrifft alle Bereiche des Konzerns", erklärte Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen. "Eine Ausschüttung an die Aktionäre darf es nicht geben."
Die DZ Bank erklärte indes, der Aufzugssparte werde ein Unternehmenswert von bis zu 14 Milliarden Euro beigemessen.
(W.Uljanov--DTZ)