Studie: Sachsen bei Tarifbindung mit 39 Prozent aller Beschäftigten Schlusslicht
In Sachsen sind nur 39 Prozent der Beschäftigten durch einen Tarifvertrag geschützt - damit ist das ostdeutsche Bundesland einer Studie zufolge mit deutlichem Abstand Schlusslicht in Deutschland. In den anderen ostdeutschen Ländern liegt die Tarifbindung durchschnittlich bei 46 Prozent, in Westdeutschland bei 57 Prozent, wie aus einer am Freitag veröffentlichten Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervorgeht.
Nur noch 15 Prozent der Betriebe in Sachsen sind demnach an einen Tarifvertrag gebunden, in den übrigen ostdeutschen Bundesländern sind es 20 Prozent, in Westdeutschland 29 Prozent. Die Beschäftigten in tariflosen Unternehmen müssten "deutliche Lohneinbußen" hinnehmen, schreiben die Autoren der Studie.
Insgesamt nahm die Tarifbindung in Deutschland in den vergangenen Jahren stark ab, in Sachsen fiel der Rückgang laut WSI aber besonders drastisch aus. Dort profitierten Mitte der 90er Jahre noch rund 70 Prozent der Beschäftigten von einer Tarifbindung.
Je nach Branche variiert die Zahl der in Sachsen nach Tarifvertrag Bezahlten erheblich: So sind es in der Land- und Forstwirtschaft nur vier Prozent, in Verkehr und Logistik acht und in der öffentlichen Verwaltung 96 Prozent. Unterschiede zwischen Frauen und Männern sind der Studie zufolge nicht festzustellen, wohl aber zwischen Voll- und Teilzeitarbeit. Während 40 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen arbeiten, sind es bei Teilzeitbeschäftigten 37 Prozent und bei geringfügig Beschäftigten nur 22 Prozent.
Dabei wirkt sich die Tarifbindung deutlich auf die Bezahlung aus, wie die Autoren hervorheben. So betrage der unbereinigte Rückstand beim Lohn mehr als 30 Prozent, wenn der Arbeitgeber nicht nach Tarifvertrag zahlt; unter Berücksichtigung der Strukturunterschiede zwischen den Betrieben bleibe immer noch ein Verdienstunterschied von fast 15 Prozent. Dieser ist nahezu unverändert, wenn sich der Betrieb unverbindlich an einem Tarifvertrag orientiert.
Die "vergleichsweise günstige Wirtschaftsstruktur Sachsens schlägt sich nicht in entsprechend höheren Löhnen" nieder, heißt es in der Studie weiter. Dies dürfte "vor allem an der schwachen Tarifbindung liegen".
Die Forscher fordern eine Stärkung der Tarifbindung - so könne die Politik verbindliche Tariftreuevorgaben bei öffentlichen Aufträgen und in der Wirtschaftsförderung machen. Auch müssten die Tarifvertragsparteien gestärkt werden. Zum einen müssten die Gewerkschaften mehr Mitglieder gewinnen, zum anderen sollten die Arbeitgeberverbände die "Legitimation von Tarifflucht" über Mitgliedschaften von Unternehmen ohne Tarifbindung beenden.
(M.Dorokhin--DTZ)