Forscher sehen nach Autobahn-Pilotprojekt große Potenziale für Lkw-Platoons
Sie fahren auf Autobahnen mit einem Abstand von nur wenigen Metern, sollen den Güterverkehr effizienter und umweltfreundlicher machen und dabei noch den Beruf des Kraftfahrers aufwerten: Digital vernetzte Lkw-Kolonnen auf deutschen Autobahnen bergen nach Angaben der Beteiligten eines Pilotprojektes große Potenziale. "Die Mobilität der Zukunft ist automatisiert und vernetzt", erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), dessen Ministerium das Forschungsprojekt mit rund 1,86 Millionen Euro förderte.
Mit dem Begriff Platooning sind Fahrzeugkolonnen gemeint, bei dem mindestens zwei Lkw auf der Autobahn mit Hilfe von technischen Fahrassistenz- und Steuersystemen in geringem Abstand hintereinander fahren können. Das führende Fahrzeug gibt dabei den Takt vor.
Für den siebenmonatigen Praxistest fuhren Berufskraftfahrer in zwei digital gekoppelten Fahrzeugen auf der A9 in Bayern hin und her. Dabei legten sie insgesamt 35.000 Kilometer zurück. Forscher der Hochschule Fresenius, die ebenso wie der Lkw-Hersteller MAN und die Bahn-Logistiktochter DB Schenker an dem Projekt beteiligt waren, erhoben zudem zahlreiche Daten, etwa zu den Blickbewegungen und Hirnaktivitäten der Fahrer, die in einem Abstand von 15 bis 21 Metern fuhren.
Vor den Tests habe es bei den Fahrern zahlreiche Bedenken auch bezüglich der Sicherheit gegeben, berichtete Sabine Hammer von der Hochschule Fresenius. Die Fahrer sorgten sich demnach etwa um die Bremswege, die Gefahr von Hackerangriffen oder darum, dass sie langfristig durch die Automatisierung ersetzt werden könnten. Nach Abschluss des Tests sei das Ergebnis ungleich positiver gewesen - die Befragten lobten demnach auch das Sicherheitsempfinden.
Scheuer betonte, dem Fahrer komme eine "Schlüsselrolle" zu. "Im Digital-Truck wird er zur modernen Logistikfachkraft", erklärte er. Dadurch erhalte der Beruf "neue Zukunftsperspektiven".
Bahn-Finanzvorstand Alexander Doll verwies darauf, dass die Platooning-Technik großflächig im Logistiknetz eingesetzt werden könne. Etwa 40 Prozent der gefahrenen Kilometer im europäischen Transportnetzwerk von Schenker ließen sich grundsätzlich in Platoons durchführen. Hierfür seien allerdings noch weitere Tests und die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen notwendig.
Der Test zeigte nach Angaben von MAN, dass das in den Lkw verbaute Platooning-System zu 98 Prozent reibungslos arbeitete. Nur einmal pro 2000 Kilometer musste demnach vom Fahrer aktiv eingegriffen werden - dies sei deutlich seltener als erwartet gewesen. Außerdem habe der Pilotbetrieb einen rund drei bis vier Prozent geringeren Treibstoffverbrauch erzielt. Erreicht wird diese Einsparung durch Windschatten-Effekte, die den Luftwiderstand für die Fahrzeuge verringern.
Ursprünglich war hier allerdings eine noch deutlichere Ersparnis und damit größere Absenkung der CO2-Emissionen für möglich gehalten worden. Eine weitere Reduzierung soll nun künftig durch einen noch geringeren Abstand zwischen den Fahrzeugen und eine zusätzliche Unterstützung durch elektronische Systeme für ein möglichst vorausschauendes Fahren erreicht werden.
Kritik äußerten die Grünen und die Allianz pro Schiene, die vor einer weiteren Verlagerung von Güterverkehr auf die Straße warnten. Es sei "sehr zweifelhaft, ob Lkw-Platooning tatsächlich dem Klimaschutz dient", kritisierte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, in der "Augsburger Allgemeinen" vom Freitag.
Zudem stelle sich die Frage, ob das Lkw-Platooning bei den Autofahrern auf Akzeptanz stoße. "Für alle Pkw-Nutzer würde sich das Problem der Enge vor allem auf den Autobahnen weiter verschärfen", mahnte er. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte, die Bundesregierung solle besser dafür sorgen, dass der Güterverkehr auf der Schiene verdoppelt werden könne.
Bahn-Vorstand Doll betonte indes mit Blick auf den Schienengüterverkehr, dass es den "Platoon auf der Schiene schon seit 180 Jahren" gebe. Es handele sich um "sich ergänzende Systeme", die angesichts steigender Transportmengen nötig seien.
(Y.Ignatiev--DTZ)