Umweltschützer kritisieren Rolle der EU-Kommission bei endokrinen Disruptoren
Die Umweltorganisation Pesticide Action Network (Pan) hat die EU-Kommission wegen ihres Einsatzes bei der Regulierung hormonverändernder Stoffe, sogenannter endokriner Disruptoren kritisiert. Europäische Spitzenbeamte hätten versucht, "die Interessen von Chemie- und Landwirtschaftsunternehmen vor europäischen Vorschriften zu schützen", erklärten die Umweltschützer am Donnerstag. Das gehe aus vertraulichen Dokumenten der Kommission hervor, deren Freigabe die Umweltschützer vor dem Europäischen Gerichtshof erstritten hatten.
Endokrine Disruptoren sind für den Hormonhaushalt von Mensch und Tier schädliche Stoffe. Sie sind besonders in Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln, aber auch in Spielzeug, Kosmetika und Lebensmittelverpackungen zu finden. Seit über 20 Jahren weisen Forscher auf einen Anstieg mutmaßlich hormonbezogener Störungen wie etwa verschlechterter Spermienqualität hin, die eventuell mit diesen Stoffen in Verbindung stehen.
Die EU-Kommission war deshalb bereits 2010 damit beauftragt worden, wissenschaftliche Kriterien als Grundlage für EU-Gesetze zum Schutz der Bevölkerung zu entwickeln. Eine erste eigene Definition war jedoch erst 2017 von den Mitgliedstaaten der EU verabschiedet worden.
Grund für die Verzögerung war der Umweltorganisation Pan zufolge ein jahrelanger behördeninterner Kampf: Beamte aus mehreren Abteilungen inklusive des Generalsekretariats der Kommission hätten darauf gepocht, dass "nichtwissenschaftliche Faktoren wie die Rentabilität der Landwirtschaft" in die Definition von endokrinen Disruptoren einfließen. Insbesondere die Umwelt- und Forschungsabteilung habe sich dagegen gewehrt.
Auf Drängen der Industrie hin sei außerdem versucht worden das Vorsorgeprinzip auszuhebeln, bemängelten die Umweltschützer. Das Prinzip sieht vor, dass schon der Verdacht auf Schädlichkeit ausreicht, um ein Mittel vom Markt zu nehmen.
Die Umweltorganisation stützt ihre Kritik auf die Auswertung von mehr als 600 internen Dokumenten, zu deren Herausgabe der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Kommission 2016 verpflichtet hatte. Pan hatte die Akteneinsicht damals mit der Unterstützung Schwedens eingeklagt. Bereits Ende 2015 hatte der EuGH die Kommission - ebenfalls auf Initiative Schwedens hin - wegen der Verzögerung in der Angelegenheit gerügt.
(M.Dorokhin--DTZ)