Aktionäre verweigern Bayer-Vorstand die Entlastung
Angesichts der herben Kursverluste der Bayer-Aktie nach der Übernahme des US-Agrarkonzerns Monsanto haben die Aktionäre des deutschen Chemie- und Pharmariesen der Unternehmensspitze einen deutlichen Denkzettel verpasst. Auf der Bayer-Hauptversammlung stimmten die Anteilseigner am späten Freitagabend mehrheitlich gegen eine Entlastung des Vorstands um Konzernchef Werner Baumann. Der Aufsichtsrat stellte sich hingegen hinter den Vorstand - nun gehe es darum, das Vertrauen der Aktionäre "schnellstmöglich" wieder zurückzugewinnen.
Insgesamt 55,5 Prozent der Anteilseigner sprachen sich gegen die Entlastung des Vorstands aus. Rechtliche Auswirkungen hat dieses Votum zwar nicht - dennoch bedeutet es einen massiven Vertrauensverlust der Aktionäre im Vergleich zur Hauptversammlung im Vorjahr, als noch 97 Prozent der Anteilseigner der Konzernspitze den Rücken gestärkt hatten.
Das war allerdings vor Abschluss der Übernahme des US-Saatgutkonzerns und Glyphosatherstellers Monsanto. Nun sind die Aktionäre vor allem angesichts der herben Verluste der Bayer-Aktie verärgert, die binnen eines Jahres rund 40 Prozent an Wert einbüßte. Der gesamte Konzern ist inzwischen nur noch 57 Milliarden Euro wert - wenig mehr, als die Leverkusener für Monsanto bezahlt haben. Baumann nannte dies eine "übertriebene Kursreaktion". Sie spiegele nicht den wahren Wert des Unternehmens wider.
Hintergrund der Kurseinbrüche sind vor allem Klagen von Krebspatienten in den USA, die ihre Erkrankungen auf den glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup von Monsanto zurückführen. Das Unternehmen wurde in zwei Prozessen zu dutzenden Millionen Euro Schadenersatz verurteilt. Bayer bestreitet die Vorwürfe und ging in Berufung.
Nach der Nichtentlastung des Vorstands kam der Aufsichtsrat noch am Abend kurzfristig zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. "Wir nehmen das Abstimmungsergebnis der Hauptversammlung sehr ernst", erklärte Aufsichtsratschef Werner Wenning. "Gleichzeitig steht der Bayer-Aufsichtsrat geschlossen hinter dem Vorstand", betonte er.
Wenning äußerte zugleich Verständnis für die Enttäuschung der Aktionäre über den Kursverlauf der Bayer-Aktie seit dem ersten Glyphosat-Urteil im August 2018. Seitdem laste Rechtsunsicherheit auf dem Aktienkurs. "Höchste Priorität" um das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen, habe nun unter anderem die "entschiedene und erfolgreiche Verteidigung in den anstehenden Berufungsverfahren".
In der Forschung ist die Frage, ob Glyphosat eine krebsauslösende Wirkung hat, umstritten. Die US-Umweltbehörde EPA und auch die Aufsichtsbehörden in der EU und Deutschland gelangten zu dem Schluss, dass von Glyphosat keine Krebsgefahr ausgeht. Dagegen konstatierte die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) 2015, dass Glyphosat "wahrscheinlich krebserregend bei Menschen" sei.
Bayer-Chef Baumann hatte sich auf der Hauptversammlung gegen die heftige Kritik an der Monsanto-Übernahme verteidigt. Bayer müsse sich gegen "geradezu unglaubliche Vorwürfe" wehren, sagte Baumann. Er betonte abermals, der Unkrautvernichter Glyphosat sei nicht für die Krebserkrankungen der US-Kläger verantwortlich.
Der Aktionärsvertreter und Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Marc Tümmler, sprach auf der auch von Protesten von Umweltschützern begleiteten Hauptversammlung dagegen von "Albträumen". Die Eigentümer hätten durch die Monsanto-Übernahme rund 40 Milliarden Euro verloren, weitere 15 Milliarden drohten durch die US-Klagen. Dazu kämen hohe Reputationsschäden für das Unternehmen.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner kritisierte am Samstag, Bayer-Chef Baumann preise weiter "ausgerechnet den Allround-Pflanzenvernichter Glyphosat als Mittel für eine nachhaltige Landwirtschaft". Der Aufsichtsrat müsse nun "endlich einen Kurwechsel des Konzerns zu echter Nachhaltigkeit durchsetzen", forderte er.
(Y.Ignatiev--DTZ)