Türkei stellt Aktionsplan zur Stabilisierung der Wirtschaft vor
Nach einer deutlichen Abkühlung der Wirtschaft in der Türkei hat Finanz- und Wirtschaftsminister Berat Albayrak einen Aktionsplan zur Stärkung des Wachstums und zum Kampf gegen die Inflation vorgestellt. Die Zeit bis zu den nächsten Wahlen 2023 werde eine Zeit "wirtschaftlicher Strukturreformen" sein, sagte Albayrak am Mittwoch in Istanbul. Priorität hätten die Stärkung der Banken, Schritte gegen die Inflation und strikte Haushaltsdisziplin.
Laut Albayrak sollen staatlichen Banken durch die Ausgabe von Staatsanleihen in Höhe von 28 Milliarden Lira (4,3 Milliarden Euro) gestärkt werden. Um hohe Einkommen stärker zu beteiligen, werde die Regierung vermehrt auf direkte Steuern setzen, sagte der Minister, der auch der Schwiegersohn von Präsident Recep Tayyip Erdogan ist. Die hohen Lebensmittelpreise sollten durch Strukturreformen im Agrarsektor bekämpft werden.
Erdogan hatte vor den Kommunalwahlen vom 31. März angekündigt, nach dem Urnengang eine Reihe von "Strukturreformen" in Angriff zu nehmen. Unter seiner Regierung hatte die Türkei über Jahre einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, doch ist die Wirtschaft zuletzt in die Krise geraten. Bei der Kommunalwahl erlitt Erdogans Partei einen Dämpfer und verlor die Metropolen Ankara und Istanbul laut vorläufigen Ergebnissen an die Opposition.
Angesichts der schwierigen ökonomischen Lage wurde Albayraks Auftritt mit Spannung erwartet. Die Analystin Nora Neuteboom von der ABN Amro Bank begrüßte auf Twitter die Unterstützung für den Bankensektor, forderte aber langfristigere Reformen, die auch den Bildungssektor, den Bürokratieabbau und eine Liberalisierung des Arbeitsmarkts umfassen. Die Lira notierte am Nachmittag weitgehend unverändert bei 5,68 zum Dollar.
Die türkische Wirtschaft befindet sich seit vergangenem Jahr in der Krise. Inmitten eines Streits mit den USA um die Inhaftierung eines US-Pastors war die Währung im vergangenen Sommer abgestürzt. Zwar gelang es der Zentralbank, durch eine kräftige Anhebung der Zinsen den Absturz der Lira zu stoppen. Doch der Verfall der Währung befeuerte die Inflation, die trotz Maßnahmen der Regierung bei knapp 20 Prozent verharrt.
Besonders in den Großstädten sorgen die hohen Lebenshaltungskosten für Unmut. Wegen des Liraverfalls wurde es für viele Unternehmen schwierig, ihre Kredite in Euro oder Dollar zu bedienen. Hunderte mussten Gläubigerschutz beantragen, und auch die Regierung stoppte geplante Investitionen. Während die Wirtschaft erstmals seit zehn Jahren in die Rezession rutschte, stieg die Arbeitslosigkeit auf 13,5 Prozent.
Viele Ökonomen und Investoren betrachten die Wirtschaftspolitik der Regierung mit Skepsis. Es besteht die Sorge, dass Erdogan schmerzhafte Reformen aufschiebt, um seine politische Basis nicht zu verärgern. Auch gibt es Sorgen um die Unabhängigkeit der Zentralbank, nachdem Erdogan Zinsen als "Instrumente der Ausbeutung" bezeichnet und die Ansicht vertreten hatte, dass niedrige Zinsen die Inflation bekämpfen helfe.
Unter Ökonomen ist auch die Entscheidung der Regierung umstritten, vor den Kommunalwahlen in Istanbul und Ankara städtische Verkaufsstände einzurichten, die Gemüse zu reduzierten Preisen anbieten. Kurz vor dem Urnengang schränkten die Banken zudem den Zugang zur Lira ein, was zu Spekulationen führte, dass die Regierung durch eine Intervention am Markt einen erneuten Absturz der Lira zu verhindern suche.
(N.Loginovsky--DTZ)