Merkel stellt sich in Streit um Grundsteuer gegen Scholz
In der Koalition eskaliert der Streit über die Reform der Grundsteuer: Nachdem Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) einen offenbar nicht abgestimmten Entwurf in die regierungsinterne Ressortabstimmung gab, stellte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch hinter CSU-Forderungen nach einer Länder-Öffnungsklausel - und damit indirekt gegen ihren Vizekanzler, dessen Vorlage eine solche Klausel nicht vorsieht.
"Ich habe durchaus Sympathie für die Vorschläge meiner Fraktion, dass man auch Abweichungsmöglichkeiten ermöglichen sollte", sagte Merkel in der Regierungsbefragung im Bundestag. Es müsse nicht "alles über einen Kamm geschoren werden", denn "wir haben sowieso kein ganz einheitliches Steuerrecht überall". Wichtig sei aber, bis zum Jahresende zu einer gemeinsamen Regelung zu kommen, stellte sie klar.
Dies ist eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts. Die Richter hatten die derzeit geltende Regelung beanstandet, weil die derzeit zur Berechnung herangezogenen Einheitswerte veraltet sind. Scholz setzt nun auf ein wertabhängiges Modell, in das bei Wohngrundstücken auch das örtliche Mietniveau, das Baujahr eines Gebäudes und der Bodenrichtwert einfließen sollen. Die CSU bevorzugt eine Immobilienbewertung allein nach der Fläche - zumindest für Bayern.
CSU-Chef Markus Söder warf Scholz in der "Augsburger Allgemeinen" (Donnerstagsausgabe) vor, gegen koalitionsinterne Absprachen zu verstoßen. "Scholz wählt ein Verfahren der Überrumpelung, das wird nicht funktionieren", sagte der bayerische Ministerpräsident. Nun solle jedes Bundesland selbst entscheiden dürfen, wie es die Grundsteuer ausgestalten wolle.
Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte den Gesetzentwurf von Scholz als "unzureichend und bürokratisch". Die Grundsteuer sei eine Kommunalsteuer, daher sei eine Länder-Öffnungsklausel "ein logisches Element", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Mittwoch. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) unterstützt laut einer Sprecherin ebenfalls diese Forderung.
Eine Öffnungsklausel würde den Ländern die Möglichkeit geben, eigene Regeln zu erlassen, was aber rechtlich umstritten ist. Vergleichsweise einfach wäre es laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung", einen Wert, der in die Berechnung der Steuer einfließt, in die Obhut der Länder zu geben, etwa den Bodenrichtwert. Für ein völlig anderes Grundsteuersystem auf Länderebene wäre hingegen dem Bericht zufolge eine Grundgesetzänderung erforderlich.
Aus Unionskreisen hieß es laut "Süddeutscher Zeitung", Scholz habe das Angebot gemacht, in den Wochen bis zum Kabinettsbeschluss mit allen Beteiligten über eine Öffnungsklausel zu reden. Eine Sprecherin des Finanzministeriums sowie Regierungssprecher Steffen Seibert wollten sich in Berlin allerdings inhaltlich zu dem Streit nicht äußern. Beide verwiesen auf die laufende Ressortabstimmung.
Gegen eine Öffnungsklausel wandte sich SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider. Diese Forderung "einer Regionalpartei aus Bayern" sei "mit dem Ziel der Rechtseinheit in Deutschland nicht vereinbar", erklärte er in Berlin.
Umstritten ist laut einem Bericht des Düsseldorfer "Handelsblatts" neben dem Wert- oder Flächenmodell auch ein von Scholz dem Blatt zufolge geplanter Aufschlag für Großstädte. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) wandte sich zudem gegen ein Sachwertverfahren bei selbstgenutzten Gewerbeimmobilien.
Die Grundsteuer fließt den Kommunen zu, die so jährlich rund 14 Milliarden Euro einnehmen. Außer für Immobilienbesitzer ist die Höhe der Steuer auch für Mieter wichtig, denn Eigentümer dürfen sie auf die Miete umlegen.
(Y.Ignatiev--DTZ)