Debatte über Enteignungen von Wohnungsgesellschaften schlägt hohe Wellen
Die Debatte über die Enteignung von Wohnungsgesellschaften hat am Wochenende hohe Wellen geschlagen. Grünen-Chef Robert Habeck kann sich eine solche Maßnahme "notfalls" vorstellen und erntete dafür harsche Kritik von CSU, FDP und AfD. Auch SPD-Chefin Andrea Nahles lehnte Enteignungen im Gegensatz zu den Linken ab. Am Samstag demonstrierten bundesweit tausende Menschen gegen "Mietenwahnsinn", zugleich startete in Berlin eine Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren für Enteignungen.
Wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg zeigten, damit Kommunen mehr Sozialwohnungen errichteten, "muss notfalls die Enteignung folgen", sagte Habeck der "Welt am Sonntag". Das Grundgesetz sehe solche Enteignungen zum Allgemeinwohl grundsätzlich vor. "Es wäre doch absurd, wenn wir das nur anwenden, um neue Autobahnen zu bauen, aber nicht, um gegen die grassierende Wohnungsnot vorzugehen."
Scharfe Kritik kam von CSU-Chef Markus Söder: "Enteignungen sind nun wirklich sozialistische Ideen und haben mit bürgerlicher Politik nichts zu tun", sagte Söder dem "Münchner Merkur" (Montagsausgabe). Wer das Eigentum nicht mehr respektiere, "ändert unsere Gesellschaft von Grund auf". Gegen Enteignungen hatte sich bereits CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ausgesprochen.
FDP-Chef Christian Lindner sagte der "Rheinischen Post" (Montagsausgabe), "gegen steigende Mieten helfen nur mehr Wohnungen und nicht DDR-Ideen". Enteignungen würden alle privaten Investitionen in Wohnungen verschrecken und die Eigentumsgarantie der Verfassung beschädigen.
FDP-Fraktionsvize Michael Theurer kritisierte Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU), der sich zur Frage möglicher Enteignungen "wegducke". Seehofer müsse "endlich seinen Job machen und die notwendigen Rahmenbedingungen zum Bau von mehr und kostengünstigen Wohnungen schaffen", forderte Theurer.
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel erklärte am Sonntag, offenbar seien die Grünen "gerade auf dem Weg von der Verbotspartei in den Betonkommunismus".
Während sich die Berliner SPD noch nicht zu einer gemeinsamen Position durchringen konnte, stellte sich Nahles klar gegen Enteignungen. Sie verstehe "die Wut auf Wohnungskonzerne, die jeden Cent aus den Mietern rauspressen wollen", sagte Nahles der "Bild am Sonntag". "Aber Enteignung dauert Jahre und schafft keine einzige Wohnung."
Hingegen schloss der SPD-Linke Ralf Stegner "Enteignungen als letztes Mittel" nicht aus. "Es gibt teilweise halbkriminelles Verhalten, bei dem die Not der Mieter ausgenutzt wird. In diesen Fällen muss der Staat Handlungsfähigkeit beweisen", sagte Stegner den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Montagsausgaben).
Linken-Chefin Katja Kipping geht laut den RND-Zeitungen von Sonntag deutlich weiter: Sie wolle Immobilienkonzerne nicht nur enteignen, sondern setze im Zweifel auch auf Beschlagnahmungen, kündigte sie Teilnehmern zufolge bei einer Parteivorstandssitzung in Berlin an. Von Nahles und der SPD wünsche sie sich "mehr Mut", sagte Kipping der "Welt" (Montagsausgabe).
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnte vor der Enteignungsdebatte. Dadurch werde die Bereitschaft von privaten Investoren, neuen und zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, "im Zweifel deutlich reduziert", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Passauer Neuen Presse" (Montagsausgabe).
Bundesweit demonstrierten am Samstag zahlreiche Menschen für bezahlbaren Wohnraum und gegen die Verdrängung durch steigende Mieten. In Berlin gingen laut Polizei "weit über 10.000" Menschen auf die Straße, den Veranstaltern zufolge waren es rund 40.000. Ähnliche Protestaktionen gab es laut dem Aktionsbündnis "#Mietenwahnsinn" in 19 Städten wie München, Köln und Frankfurt.
Mit ihrer Unterschriftensammlung will die Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" erreichen, dass der Berliner Senat private Wohnungsgesellschaften mit mehr als 3000 Wohnungen enteignet und vergesellschaftet.
(W.Uljanov--DTZ)