Umstrittene EU-Reform der Regeln für Lkw-Fahrer nimmt wichtige Hürde
Das EU-Parlament hat sich trotz heftigen Widerstands zahlreicher Abgeordneter aus östlichen EU-Ländern für strengere Regeln für Fernfahrer ausgesprochen. Begleitet von hitzigen Debatten und einer Flut von Änderungsanträgen stimmte die Vollversammlung in Brüssel am Donnerstag für ein Gesetzespaket, dass Lkw-Fahrer besser vor Ausbeutung schützen soll.
Länder wie Frankreich und Deutschland beklagen seit längerem unfaire Wettbewerbsbedingungen im Speditionsgewerbe durch Lohndumping osteuropäischer Unternehmen. EU-Abgeordnete und nationale Politiker aus östlichen Mitgliedstaaten kritisieren die vorgeschlagenen Neuregelungen aber als Protektionismus und Einschränkung des europäischen Binnenmarktes.
Die Regeln sehen zum Beispiel vor, dass Lkw-Fahrer ihre gesetzlichen Ruhepausen am Ende einer Arbeitswoche nicht mehr im Fahrzeug verbringen dürfen. Zudem muss der Dienstplan der Fahrer es zulassen, dass sie mindestens alle vier Wochen in das Ursprungsland ihres Unternehmens zurückkehren.
Zusätzliche Vorgaben soll es auch bei der sogenannten Kabotage geben - wenn also ein ausländisches Unternehmen eine Lieferleistung komplett innerhalb eines anderen Landes erbringt. Derlei Aufträge sollen künftig innerhalb von drei Tagen nach Abschluss der ursprünglichen Lieferung erlaubt sein. Bislang sind drei Kabotage-Fahrten innerhalb von sieben Tagen möglich.
Die Mitgliedstaaten der EU hatten sich bereits im Dezember - ebenfalls gegen heftigen Widerstand aus östlichen EU-Ländern - auf eine gemeinsame Haltung zu der Reform verständigt. "Ich bin sehr froh darüber, dass uns ein europäischer Kompromiss gelungen ist, der der Position der EU-Mitgliedsländer sehr nahekommt", erklärte der EU-Abgeordnete Dieter-Lebrecht Koch (CDU) am Donnerstag.
Bis zum letzten Moment war ungewiss gewesen, ob die Abstimmung tatsächlich stattfinden würde. Ursprünglich für vergangenen Donnerstag angesetzt, war das Votum um eine Woche verschoben worden, weil Abgeordnete mehr als 1200 Änderungsanträge eingebrachten. Dem Verkehrsausschuss gelang es nicht, die Zahl der Anträge deutlich zu reduzieren.
Dennoch lehnte das Parlament am Mittwoch und Donnerstag mehrere Anträge auf eine weitere Verschiebung ab. Stattdessen entschieden die Abgeordneten nacheinander über alle Änderungsanträge, die teils in Blöcke zusammengefasst wurden.
"Ich freue mich sehr, dass das Europäische Parlament (das Thema) abschließen konnte", sagte EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc im Anschluss. Der verkehrspolitische Sprecher der Europa-SPD, Ismail Ertug, begrüßte das Ergebnis als einen "Durchbruch für faire Arbeit auf Europas Straßen".
In Bulgarien kam es nach der Annahme des Gesetzespakets im EU-Parlament zu Demonstrationen. Fernfahrer setzten in der Stadt Plowdiw aus Protest einen Lkw in Brand. Auf Bannern war etwa zu lesen: "Gibt es einen Platz für bulgarische Unternehmen in der EU?" oder "Nein zur Diskriminierung".
Auch grüne und linke EU-Abgeordnete aus westlichen EU-Staaten lehnten Teile des Gesetzespaketes ab - allerdings weil ihnen die Regeln nicht weit genug gehen. Sie bemängeln in erster Linie, dass ausländische Fernfahrer nicht in allen Fällen denselben sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen wie heimische Arbeiter unterliegen sollen.
Die Einigung des Parlaments sieht vor, dass Fernfahrer beim reinen Import-, Exportgeschäft sowie beim Transitverkehr weiterhin von der sogenannten Entsenderichtlinie ausgenommen sind. In diesen Fällen würden also weiterhin die Bestimmungen des Ursprungslandes der Arbeiter gelten. "Der Grundsatz gleiches Recht und gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss für alle gelten", kritisierte Terry Reintke (Grüne).
Die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über den finalen Gesetzestext können nun beginnen. Dass es noch vor den EU-Wahlen Ende Mai zu einer Einigung kommt, ist allerdings fraglich.
(W.Uljanov--DTZ)