Deutsche Tageszeitung - Frühjahrsgutachten: Der Aufschwung ist zu Ende

Frühjahrsgutachten: Der Aufschwung ist zu Ende


Frühjahrsgutachten: Der Aufschwung ist zu Ende
Frühjahrsgutachten: Der Aufschwung ist zu Ende / Foto: ©

Die fetten Jahre sind vorerst vorbei: Die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognose für das Wachstum im laufenden Jahr deutlich von 1,9 auf 0,8 Prozent abgesenkt. "Der langjährige Aufschwung der deutschen Wirtschaft ist zu Ende", heißt es im Frühjahrsgutachten. Und sollte es zu einem harten Brexit kommen, würde sich die Lage noch weiter verschlechtern - auch im kommenden Jahr.

Textgröße ändern:

Das niedrige Wachstum in diesem Jahr führen die Wirtschaftsforscher vor allem darauf zurück, dass sich die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wegen politischer Risiken weiter eingetrübt hätten. Der Konjunktureinbruch in der zweiten Jahreshälfte 2018 dagegen sei vor allem auf Produktionshemmnisse in der Industrie zurückzuführen - die Autoindustrie etwa kam mit der Zertifizierung ihrer Autos für den neuen Abgastest WLTP nicht hinterher, die Chemieindustrie litt unter Lieferengpässen wegen des Niedrigwassers in vielen Flüssen.

Auch zu Jahresbeginn besserte sich die Lage zunächst nicht wesentlich: Der Auftragseingang der Industrie ging laut Statistischem Bundesamt im Januar um 2,1 Prozent gegenüber dem Vormonat zurück, im Februar sogar um 4,2 Prozent.

Auf dem Arbeitsmarkt wirkt sich dies zunächst nur geringfügig aus. Die Zahl der Erwerbstätigen werde weiter steigen, heißt es im Frühjahrsgutachten: von 45,3 Millionen in diesem Jahr auf 45,5 Millionen im kommenden Jahr. Die Zahl der Arbeitslosen wird demnach auf 2,2 und dann auf 2,1 Millionen sinken.

Im kommenden Jahr erwarten die Forscher eine Rückkehr zu einem kräftigeren Wachstum: 2020 dürfte das Bruttoinlandsprodukt um 1,8 Prozent steigen, heißt es in ihrer Prognose. Die Risiken für Deutschland hätten sich allerdings seit der letzten Prognose im Herbst vergrößert: National belasten demnach Fachkräftemangel, Lieferengpässe und Schwierigkeiten der Autoindustrie die Konjunktur, international der nach wie vor ungelöste Handelsstreit zwischen den USA und China - sowie das weiterhin ungeklärte Brexit-Verfahren.

Ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen sei seit Abschluss der Prognose Ende März "zwar weniger wahrscheinlich geworden, aber noch nicht ausgeschlossen", erklärten die Wirtschaftsforschungsinstitute. Bei einem No-Deal-Brexit dürfte das Wirtschaftswachstum in diesem und im kommenden Jahr "deutlich niedriger ausfallen" als in der Prognose ausgewiesen.

Im vergangenen Jahr war die deutsche Wirtschaft um 1,4 Prozent gewachsen. 2017 hatte das BIP um 2,2 Prozent zugelegt.

Seit Beginn des Jahres hat eine Reihe von Institutionen die Wachstumsprognose für Deutschland kräftig nach unten revidiert. Erst Mitte März senkten die fünf Wirtschaftsweisen ihre Prognose für 2019 von 1,5 auf 0,8 Prozent. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geht aktuell nur noch von 0,7 Prozent Wachstum für Deutschland aus.

Das Frühjahrsgutachten ist eine Gemeinschaftsdiagnose. Beteiligt sind das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, das Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) in München, das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sowie das RWI in Essen.

Das Gutachten ist die Basis für die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung, die Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am 17. April vorstellen wird. Er betonte, die Abkühlung werde "im Verlauf dieses Jahres allmählich überwunden und die Auftriebskräfte gewinnen wieder die Oberhand". Erfreulich sei, dass die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt anhalte. Die Binnenwirtschaft bleibe die tragende Säule der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

(N.Loginovsky--DTZ)

Empfohlen

Autozulieferer Schaeffler streicht 4700 Stellen - 2800 in Deutschland

Der Autozulieferer Schaeffler im bayerischen Herzogenaurach streicht 4700 Stellen, davon in Deutschland 2800. Ein Grund sei die "anhaltende Transformation in der Automobilzulieferindustrie", wie Schaeffler am Dienstag mitteilte. Betroffen von den Stellenstreichungen seien in Deutschland zehn Standorte, weitere fünf in Europa. Von ihnen will das Unternehmen zwei schließen - nähere Einzelheiten dazu soll es "bis Ende des Jahres" geben.

Umfrage: Lebenszufriedenheit der Deutschen macht deutlichen Sprung

Die Lebenszufriedenheit der Deutschen hat sich deutlich verbessert. Das allgemeine Glücksempfinden erreicht aktuell auch dank der überwundenen Pandemie und der gesunkenen Inflation wieder das Vor-Corona-Niveau, wie aus dem am Dienstag in Berlin veröffentlichten sogenannten SKL-Glücksatlas hervorgeht. Das Glücksniveau stieg demnach 2024 im Vergleich zum Vorjahr auf einer Skala von null bis zehn deutlich um 0,14 Punkte auf durchschnittlich 7,06 Punkte.

Gewerkschaft: Boeing-Beschäftigte nehmen nach wochenlangem Streik Vertragsangebot an

Nach mehr als sieben Wochen Streik bei Boeing haben die Beschäftigten das jüngste Vertragsangebot des US-Flugzeugbauers angenommen. Die Mitglieder der zuständigen Sektion der Gewerkschaft IAM hätten sich mit 59 Prozent der Stimmen für das Tarifangebot ausgesprochen, erklärte die Gewerkschaft am Montagabend (Ortszeit). Damit werden rund 33.000 Boeing-Beschäftigte aus der Gegend von Seattle wieder an die Arbeit zurückkehren.

Heil warnt vor wachsenden Anfeindungen gegen Menschen mit Behinderungen

Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) hat vor wachsenden Anfeindungen gegenüber Menschen mit Behinderungen gewarnt. "Der Ton wird wieder rauer gegenüber Menschen, die nicht einer vermeintlichen Norm entsprechen", sagte Heil am Montag bei einem Festakt zum 30-jährigen Jahrestag der Aufnahme des Behindertenschutzes ins Grundgesetz. Eine "wirklich inklusive Gesellschaft" bleibe nach wie vor "alltägliche Aufgabe", sagte der Minister. Dies sei auch "unsere Pflicht als Demokraten".

Textgröße ändern: