Bundesregierung berät mit Expertengruppe über Klimaschutz im Verkehrssektor
Die Bundesregierung steht unter Druck, ihre Klimaziele auch im Verkehrssektor einzuhalten. Am Donnerstag traf sie sich deshalb hinter verschlossenen Türen mit Vertretern einer Expertengruppe, um über die nötigen Maßnahmen zu diskutieren. Dem "Handelsblatt" zufolge rechnen die Experten der "Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität" (NPM) mit nötigen Subventionen und Investitionen in Höhe von 160 bis mehr als 200 Milliarden Euro, wenn Deutschland wie geplant den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor bis 2030 um 42 Prozent senken will.
Nötig werde das Geld etwa für Anreize zum Kauf von Elektroautos und Investitionen in Schienen, Wasser-, Rad- und Fußwege. Darüber hinaus diskutieren die Vertreter von Landesagenturen, Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Gewerkschaften und Verbänden aber auch, wie Verkehr generell vermieden werden kann, etwa durch eine Förderung von Videokonferenzen statt Dienstreisen sowie eine CO2-Abgabe für den Verkehrssektor.
An dem Treffen nahmen neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und die Spitzen der Koalition teil. Für die NPM nahmen deren Leiter, der Ex-SAP-Chef Henning Kagermann, sowie die Vorsitzenden der sechs Arbeitsgruppen teil. Darunter sind etwa IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich, und der Geschäftsführer des Energieverbands BDEW, Stefan Kapferer.
Die Arbeitsgruppenchefs sollten über ihren jeweiligen Arbeitsstand informieren. Im Fokus stand die AG 1 "Klimaschutz im Verkehr", die in zwei Wochen einen ersten Bericht vorlegen soll. Ihre Empfehlungen sollen Eingang in das Klimaschutzgesetz finden, mit dem die Bundesregierung die Dekarbonisierung vorantreiben will.
Es ist die Arbeitsgruppe, die Verkehrsminister Scheuer (CSU) zuletzt scharf kritisiert hatte, da sie über die Wirkung eines Tempolimits und steigender Benzinpreise nachgedacht hatte. Seitdem herrscht für die Plattformsmitglieder ein noch stärkerer Geheimhaltungsdruck.
Vor den Türen des Kanzleramts demonstrierte Greenpeace mit einem schräg im Boden steckenden Auto. "Absichtserklärungen und vage Versprechen haben den CO2-Ausstoß im Verkehr seit 29 Jahren stagnieren lassen", kritisierte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan und forderte: "Damit Autokonzerne den Umstieg auf abgasfreie Antriebe nicht noch länger verzögern, braucht Deutschland ein festes Datum, wann die letzten Diesel und Benziner verkauft werden."
Der Digitalverband Bitkom rückte hingegen die Chancen von vernetzter Mobilität in den Vordergrund: So könnten intelligente Leitsysteme die Suche nach Parkplätzen verkürzen und eine stärkere Verknüpfung von Bus, Bahn, Car- und Bike-Sharing komfortable Alternativen zum Privatauto schaffen.
Der Präsident des Autoherstellerverbands VDA, Bernhard Mattes, verwies auf die bereits laufenden Initiativen in seiner Branche: "Erstens: Wir bringen alternative Antriebe, Elektromobilität, aber auch Gas oder Brennstoffzellen. Zweitens: Wir verbessern die bestehende Antriebstechnologie des Verbrennungsmotors. Drittens: Wir nutzen neue umweltfreundliche Kraftstoffe. Und viertens: Wir treiben das vernetzte und automatisierte Fahren nach vorne." Von der Politik forderte Mattes "deutlich mehr Elektroladestationen, aber auch Lademöglichkeiten für Erdgasautos oder Wasserstofftankstellen".
Die IG Metall warnte wiederum davor, dass strenge Klimaschutzziele Arbeitsplätze in der Autoindustrie kosten könnten. Außerdem sei es keine gute Idee, den Verkehr durch höhere Steuern zu verteuern. Die Massenproteste der Gelbwesten in Frankreich machten deutlich: "Klimaschutz lässt sich – zumindest in einer demokratischen – Gesellschaft nur umsetzen, wenn die ganz konkreten Folgen für die Menschen mitbedacht werden."
(A.Stefanowych--DTZ)