Deutsche Tageszeitung - Awo kritisiert Familienförderung in Deutschland als "zutiefst sozial ungerecht"

Awo kritisiert Familienförderung in Deutschland als "zutiefst sozial ungerecht"


Awo kritisiert Familienförderung in Deutschland als "zutiefst sozial ungerecht"
Awo kritisiert Familienförderung in Deutschland als "zutiefst sozial ungerecht" / Foto: © AFP

Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) hat die finanzielle Familienförderung in Deutschland als "zutiefst sozial ungerecht" kritisiert. Es profitierten Wohlhabende im besonderen Maße, während sozial Schwächere strukturell benachteiligt würden, beklagte die Awo in einem am Dienstag gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vorgestellten Gutachten. So würden Spitzenverdienende durch die Kinderfreibeträge bei der Einkommensteuer monatlich um bis zu 370 Euro entlastet, das Kindergeld für alle betrage aber lediglich 250 Euro.

Textgröße ändern:

"Der Staat verzichtet durch diese Bevorteilung sehr wohlhabender Familien auf zusätzliche Einnahmen in Höhe von rund 3,5 Milliarden Euro pro Jahr, die für die Unterstützung bedürftiger Familien dringend nötig wären", erklärte die Awo. Laut der DIW-Studie im Auftrag der Organisation beziehen etwa 4,5 Millionen Haushalte in Deutschland nur Kindergeld, während 4,2 Millionen Haushalte zusätzlich Kinderfreibeträge geltend machen.

Während die durchschnittliche zusätzliche Entlastung durch die Kinderfreibeträge bei Familien mit mittleren Einkommen jedoch lediglich bei knapp unter 400 Euro im Jahr liege, würden Familien mit gehobenen Einkommen mit zusätzlich rund 1000 Euro und die reichsten Haushalte mit 1400 Euro pro Jahr zusätzlich zum Kindergeld gefördert. Einkommensarme Familien und solche mit prekären Einkommen profitierten so gut wie gar nicht von Freibeträgen, hieß es in der Studie.

Die Awo forderte vor diesem Hintergrund die Absenkung des Kinderfreibetrags für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsaufwand bis auf das verfassungsmäßig gebotene Minimum und stattdessen die "zielgenaue finanzielle Förderung von Familien mit wenig Einkommen". Der aktuelle Familienlastenausgleich "ist nicht zielführend, sondern familienpolitisch grob fahrlässig", sagte Awo-Präsident Michael Groß bei der Vorstellung der Studie.

Groß kritisierte zudem, dass die von der Ampel-Koalition geplante moderate Kindergelderhöhung komplett auf die Grundsicherung angerechnet werde. Daher profitierten besonders bedürftige Kinder und Familien davon nicht.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher unterstützt ebenfalls die Forderung nach einer Reform der Familienförderung. "Es geht um die Frage, wie wir Gelder und Ressourcen, die da sind, zielgenauer verwenden können", sagte Fratzscher am Dienstag. "Der Staat investiert zu wenig in Kinder und Jugendliche und zu viele Menschen fallen durch das System durch, sind Schulabbrecher, können ihre Talente und Möglichkeiten nicht entwickeln." Dadurch entstehe hoher Schaden für den Staat und die Wirtschaft.

Dringenden Handlungsbedarf sieht auch der Sozialverband VdK. "Hohe Einkommen werden derzeit durch die steuerrechtlichen Kinderfreibeträge sehr entlastet, während Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen nur das Kindergeld erhalten", erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. "Das muss sich ändern. Jedes Kind sollte dem Staat gleich viel wert sein. Die Bundesregierung muss die Umverteilungsmöglichkeiten nutzen, die ihr jetzt schon zur Verfügung stehen."

(L.Møller--DTZ)

Empfohlen

Gewerkschaft: US-Flugzeugbauer Boeing hat neues Angebot in Tarifkonflikt vorgelegt

Im seit Wochen andauernden Tarifkonflikt hat der US-Flugzeugbauer Boeing nach Gewerkschaftsangaben ein neues Angebot mit verbesserten Konditionen vorgelegt. "Ihre Gewerkschaft befürwortet und empfiehlt den jüngsten" Vertragsvorschlag, erklärte die zuständige Sektion der Gewerkschaft IAM, die mehr als 33.000 streikende Boeing-Beschäftigte in der Gegend von Seattle vertritt. "Es ist an der Zeit, dass unsere Mitglieder diese Errungenschaften festhalten und selbstbewusst den Sieg verkünden." Eine Abstimmung der Mitglieder soll laut Website der IAM-Sektion am Montag stattfinden.

OpenAI will ChatGPT zu Suchmaschine ausbauen und Google Konkurrenz machen

Das US-KI-Unternehmen OpenAI will mit einer Suchfunktion bei seinem Chatbot ChatGPT dem Marktriesen Google Konkurrenz machen. ChatGPT Search soll eine Erweiterung der Künstlichen Intelligenz (KI) ChatGPT sein und für die Nutzer Links zu relevanten Websites generieren, "für die man zuvor eine Suchmaschine benutzen musste", kündigte OpenAI am Donnerstag auf seinem Blog an. Die Betreiber von Websites könnten entscheiden, ob sie in den Suchergebnissen des ChatGPT-Updates erscheinen wollten oder nicht, hieß es weiter.

UNO warnt vor Hungersnöten im Gazastreifen und anderen Weltregionen

Die UNO hat vor verschärften Hungersnöten in den kommenden Monaten im Gazastreifen, im Sudan und Südsudan, Mali, Haiti sowie weiteren Weltregionen gewarnt. Zunehmende bewaffnete Konflikte könnten sich in Verbindung mit klimatischen und wirtschaftlichen Faktoren auf die Nahrungsmittelversorgung von Millionen Menschen auswirken, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht des Welternährungsprogramms (WFP) und der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO). Die UN-Unterorganisationen riefen zur Ausweitung humanitärer Hilfen und Waffenruhen auf.

Keine Einigung bei dritter Metall-Tarifrunde - aber "konstruktive Atmosphäre"

Die dritte Verhandlungsrunde für die Beschäftigen der Metall- und Elektroindustrie hat weiter keine Annäherung gebracht. Wie in den Tarifgebieten Niedersachsen und Küste am Dienstag und Bayern am Mittwoch gab es auch in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg am Donnerstag kein Ergebnis, wie beide Seiten mitteilten. Der Arbeitgeberverband in Baden-Württemberg, Südwestmetall, sprach aber von einer "konstruktiven und ergebnisorientierten Atmosphäre". Die IG Metall kündigte weitere Warnstreiks an.

Textgröße ändern: