Deutsche Tageszeitung - Volkswagen schließt Werksschließungen und Entlassungen nicht mehr aus

Volkswagen schließt Werksschließungen und Entlassungen nicht mehr aus


Volkswagen schließt Werksschließungen und Entlassungen nicht mehr aus
Volkswagen schließt Werksschließungen und Entlassungen nicht mehr aus / Foto: © AFP

Der Autobauer Volkswagen schließt im Rahmen des Sparprogramms bei der Kernmarke VW Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland nicht mehr länger aus. Die Lage sei "äußerst angespannt" und durch "einfache Sparmaßnahmen" nicht mehr zu lösen, erklärte VW-Chef Thomas Schäfer nach einer Führungskräftetagung am Montag in einem Schreiben an die Belegschaft. Bisher waren Entlassungen bis 2029 ausgeschlossen worden. Betriebsrat und IG Metall kündigten "erbitterten" Widerstand an.

Textgröße ändern:

Der europäische Automarkt befinde sich in einer "äußerst herausfordernden und ernsten Situation", erklärte VW-Konzernchef Oliver Blume. Insbesondere Deutschland als Produktionsstandort sei bei der Wettbewerbsfähigkeit weiter zurückgefallen. In diesem Umfeld müsse das Unternehmen reagieren.

Aus Sicht des Vorstands müssten die Marken innerhalb der Volkswagen AG umfassend restrukturiert werden. "Auch Werksschließungen von fahrzeugproduzierenden und Komponenten-Standorten können in der aktuellen Situation ohne ein schnelles Gegensteuern nicht mehr ausgeschlossen werden."

Der bisher geplante Stellenabbau durch Altersteilzeit und Abfindungen reiche nicht mehr aus, um die Einsparziele zu erreichen. "Vor diesem Hintergrund sieht sich das Unternehmen dazu gezwungen, die seit 1994 fortgeschriebene Beschäftigungssicherung aufzukündigen."

VW-Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo und die IG Metall kritisierten den "unverantwortlichen Plan" scharf und kündigten "erbitterten" Widerstand an. Cavallo erklärte, damit stehe "VW selber und somit das Herz des Konzerns infrage". Sie betonte: "Mit uns wird es keine Standortschließungen geben."

Der Vorstand habe versagt. Anstatt sich einseitig zulasten der Belegschaft kaputtzusparen, müsse jetzt ein strategischer Befreiungsschlag her mit Schub für die eigentlichen Baustellen: Produkt, Komplexität, Prozessabläufe, Synergien. "Das ist der Plan, den wir brauchen", forderte Cavallo. Hier müsse der Konzernvorstand endlich seine Verantwortung wahrnehmen.

Auch IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger kritisierte, der Vorstand drohe "das Herz von Volkswagen zu zerstören". Statt Spardiktat müsse der Vorstand eine nachhaltige Strategie entwickeln, die Volkswagen langfristig wettbewerbsfähig mache und Arbeitsplätze sichere. Wichtig sei eine attraktivere Produktpalette, die Reduzierung von Komplexität und die Optimierung von Abläufen.

"Wir brauchen keine kurzfristigen Rendite-Rambos. Das Missmanagement der vergangenen Jahre darf nicht auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen ausgetragen werden."

Das 2023 aufgelegte Sparprogramm für die Kernmarke sollte insgesamt zehn Milliarden Euro bis 2026 einsparen. Laut "Handelsblatt" sollen vier Milliarden Euro zusätzlich eingespart werden. Die Marke VW mit Modellen wie Golf und Passat gilt seit einigen Jahren als Sorgenkind im Konzern.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erklärte, dass angesichts der schwierigen Lage bei Volkswagen Handlungsbedarf bestehe, sei unstreitig. Dazu gehörten auch Kostensenkungen - hier müsse in den nächsten Wochen aber "aller Voraussicht nach nicht über das 'Ob', wohl aber über das 'Wie' intensiv zu diskutieren sein". Die Landesregierung erwarte, "dass sich die Frage einer Schließung von Standorten durch die erfolgreiche Nutzung von Alternativen schlichtweg nicht stellt". Weil forderte den Vorstand auf der einen, Betriebsrat und Gewerkschaft auf der anderen Seite zu "vertrauensvollen und ergebnisorientierten Verhandlungen" auf.

Bei VW stehen im Herbst auch Tarifverhandlungen an. Die IG Metall fordert sieben Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die IG Metall forderte VW am Montag auf, die Tarifverhandlungen bereits im September zu beginnen und nicht erst im Oktober.

Bei VW arbeiten weltweit rund 680.000 Menschen, bei der Kernmarke VW AG in Deutschland sind es rund 100.000. Der Nettogewinn des Konzerns betrug im vergangenen Jahr fast 18 Milliarden Euro.

(T.W.Lukyanenko--DTZ)

Empfohlen

Verurteilung von Jussie Smollett wegen vorgetäuschtem Angriff aufgehoben

Ein US-Gericht hat das Urteil gegen den Schauspieler Jussie Smollett wegen eines mutmaßlich vorgetäuschten Angriffs gegen ihn aufgehoben. Smollett, der in einem früheren Verfahren zu den Vorwürfen bereits eine Geldstrafe gezahlt hatte, könne nicht zum zweiten Mal verurteilt werden, entschied das Oberste Gericht im Bundesstaat Illinois am Donnerstag. "Wir heben daher die Verurteilung des Angeklagten auf", hieß es.

Tarifgespräche bei Volkswagen vertagt - Warnstreiks drohen ab Dezember

Im Tarifkonflikt bei Volkswagen drohen ab Anfang Dezember bundesweite Warnstreiks. "Wir werden der Tarifkommission empfehlen, zu Warnstreiks aufzurufen", sagte der IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger am Donnerstag in Wolfsburg nach den Tarifgesprächen mit VW. Gleichwohl wurde vereinbart, weiter zu verhandeln - die Tarifgespräche sollen am 9. Dezember fortgesetzt werden.

Mehr Wettbewerb und schlechte Konsumlaune in China: Temu-Konzern wächst langsamer

Der chinesische Mutterkonzern der Billig-Shoppingplattform Temu hat erneut deutliche Umsatz- und Gewinnsteigerungen verbucht. Die Wachstumsraten der PDD Holding verlangsamen sich den Geschäftsdaten vom Donnerstag zufolge mittlerweile jedoch spürbar. Hintergrund sind ein zunehmender Wettbewerb im internationalen Onlinehandel sowie die nach wie vor schlechte Konsumlaune auf dem Heimatmarkt.

Tarifverhandlungen bei VW: Gewerkschafter schwören Belegschaft auf Widerstand ein

Beim kriselnden Autobauer Volkswagen sind unter dem Eindruck protestierender Beschäftigter die Tarifverhandlungen fortgesetzt worden. Tausende Beschäftigte nahmen mit Plakaten und Trillerpfeifen ausgerüstet am Donnerstag an einer Kundgebung in Wolfsburg teil, die Gewerkschaft IG Metall und der VW-Gesamtbetriebsrat schworen sie auf Widerstand gegen den Sparkurs der Unternehmensführung ein. Sie wollen vor allem Massenentlassungen und Werksschließungen verhindern.

Textgröße ändern: