EU verschärft CO2-Grenzwerte für Neuwagen stärker als von Deutschland angestrebt
Rat und Parlament der EU haben sich darauf geeinigt, die CO2-Grenzwerte für Neuwagen stärker als von Deutschland angestrebt zu verschärfen. Die Emissionen neuer Autos sollen bis 2030 um 37,5 Prozent im Vergleich zu den Werten von 2021 gesenkt werden, wie die österreichische Ratspräsidentschaft mitteilte. Der CO2-Ausstoß von Kleintransportern soll demnach um 31 Prozent sinken. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) reagierte am Dienstag mit Besorgnis auf die Einigung.
Das Verhandlungsergebnis liegt auf halbem Weg zwischen der vereinbarten Position der Mitgliedstaaten und der des Parlaments: Die Volksvertretung hatte eine Reduktion von 40 Prozent gefordert, die Mitgliedstaaten 35 Prozent. Außerdem ist als Zwischenetappe eine Senkung bis 2025 um 15 Prozent sowohl für Autos als auch für Kleintransporter vorgesehen.
In früheren Verhandlungen über eine gemeinsame Position der Mitgliedstaaten hatte die Bundesregierung zunächst 30 Prozent Reduktion als Höchstgrenze angegeben. Eine Mehrheit der EU-Länder forderte jedoch teils deutlich mehr. Schließlich schloss sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) als deutsche Unterhändlerin dem Kompromiss der österreichischen Ratspräsidentschaft an, der 35 Prozent Reduktion vorsah. 37,5 Prozent gehen nun noch darüber hinaus.
Die Mitgliedstaaten und das Parlament müssen die Einigung der Unterhändler noch absegnen. In Diplomatenkreisen gilt als wahrscheinlich, dass es ohne Einschränkungen grünes Licht geben wird. Es habe bei den Vorverhandlungen unter den Mitgliedstaaten bereits durchaus eine qualifizierte Mehrheit für ehrgeizigere Ziele und somit gegen Deutschland gegeben, hieß es.
Altmaier sagte der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" vom Mittwoch, der Kompromiss gehe "an die Grenze dessen, was technisch und wirtschaftlich möglich ist". Die CO2-Ziele dürften den Standort Deutschland und Europa "nicht über Gebühr belasten", fuhr er fort. Sie müssten "realistisch und industriepolitisch tragfähig sein".
EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete begrüßte die Einigung und sprach von "ehrgeizigen Zielen". Die EU unterstreiche damit ihre Entschlossenheit bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Die EU-Kommission hatte ursprünglich nur 30 Prozent Reduktion vorgeschlagen.
Jens Gieseke (CDU), Verhandlungsführer der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, zeigte sich erleichtert, dass es noch in diesem Jahr zu einer Einigung kam. Das Verhandlungsergebnis sei nicht perfekt, "aber die Industrie braucht vor allem Planungssicherheit", sagte Gieseke.
Unions- und FDP-Abgeordnete im Bundestag kritisierten die Einigung hingegen als "unrealistisch" und gefährlich für die deutsche Autoindustrie. Der europäische Autoherstellerverband Acea prognostizierte "verheerende" Auswirkungen der neuen Ziele auf die Beschäftigung in der Branche. Der Kompromiss sei politisch motiviert und gehe an den "technologischen und sozio-ökonomischen Realitäten" vorbei, erklärte der Verband.
Nirgendwo auf der Welt gebe es vergleichbar scharfe Vorgaben, bemängelte auch der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes. Der Autokonzern Daimler wies auf Anfrage darauf hin, dass die Einhaltung der Vorgaben auch maßgeblich abhängig von der Kaufentscheidung der Kunden sei.
Den Befürchtungen der Industrie begegnete die EU-Kommission mit Verweis auf die geplante Industrie-Allianz für die Produktion von Batterien für E-Autos in der EU. Zudem werde die Behörde die Möglichkeit prüfen, Strafzahlungen der Autokonzerne wegen Überschreitungen der Grenzwerte für Umschulungsprogramme für Angestellte zu verwenden, sagte ein Sprecherin. Entsprechende Gesetzesvorhaben sollen spätestens bis 2027 auf den Weg gebracht werden.
Linken- und Grünen-Politiker sowie Umweltorganisationen wie Greenpeace begrüßten die neuen Grenzwerte grundsätzlich. Sie seien ein Schritt in die richtige Richtung, "dem aber noch viele folgen müssten", erklärte die Bundestagsabgeordnete Ingrid Remmers (Linke) ein. Mit dem Bundestagsfraktionsvorsitzenden der Grünen, Anton Hofreiter, stimmte sie überein, dass es nun Aufgabe der Bundesregierung sei, die Verkehrswende zu unterstützen, nicht zu blockieren.
(N.Loginovsky--DTZ)