Fahrverbotsurteil betrifft erstmals auch Autobahn
Nun auch Fahrverbote in Essen und Gelsenkirchen: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat am Donnerstag angeordnet, dass für die beiden Ruhrgebietsstädte Fahrverbote in die Luftreinhaltepläne aufgenommen werden müssen. Gelten sollen die Einschränkungen ab 1. Juli kommenden Jahres. In Essen ist mit der durch das Stadtgebiet verlaufenden A40 erstmals auch eine Autobahn betroffen.
Geklagt hatte in Gelsenkirchen ebenso wie bereits in einer Reihe anderer Städte die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Sie geht damit gegen die zu hohen Stickstoffdioxid-Werte in der Luft in deutschen Städten vor.
In Essen ist die derzeitige grüne Umweltzone von den Fahrverboten betroffen, in der nach Anordnung des Gerichts eine "blaue Umweltzone" errichtet werden soll. In dieser Zone müsse ein Fahrverbot für Dieselautos der Abgasnorm Euro 4 und ab September 2019 auch der Klasse Euro 5 eingeführt werden, führte das Gericht aus. Betroffen sind ab Juli auch ältere Benziner bis zur Klasse Euro 2.
In Gelsenkirchen umfasst das Verbot für die gleichen Fahrzeugtypen die Kurt-Schumacher-Straße im Stadtgebiet. Diese Einschränkung sei "unverzichtbar, um die Gesundheit der Anwohner, Besucher und Verkehrsteilnehmer zu schützen", erklärte das Gericht.
In Essen sei die Einführung eines zonalen Fahrverbots im Stadtgebiet unter Einbeziehung der A40 "trotz der damit einhergehenden Belastungen für die Bevölkerung und die Wirtschaft verhältnismäßig", führte das Gericht aus.
Dem widersprach die Bezirksregierung in Düsseldorf: Es gelte, "nicht die Brechstange auszupacken", erklärte Regierungspräsidentin Birgitta Radermacher. Eine großflächige Fahrverbotszone unter Einbeziehung der A40 scheine auch aufgrund der geringen Anzahl von Grenzwertüberschreitungen "nicht angemessen". Sie kündigte an, zu prüfen, "ob wir in Berufung gehen". Über diese müsste das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden.
Die DUH sprach hingegen vom "bisher stärksten Urteil für den Gesundheitsschutz". Die Entscheidung von Gelsenkirchen sei ein "Weckruf" für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass es so nicht weitergehen könne, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch der Nachrichtenagentur AFP.
Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) nannte das Urteil "überraschend", da die Bezirksregierungen Düsseldorf und Münster für Essen und Gelsenkirchen ambitionierte Luftreinhaltepläne mit einer Vielzahl von Maßnahmen vorgelegt hätten. Sie kündigte ebenfalls an, eine Berufung zu prüfen. "Wir stehen in unseren Ballungsräumen vor großen Herausforderungen. Wir müssen jetzt in wenigen Monaten das schaffen, was in vielen Jahren zuvor nicht gelungen ist - die Grenzwerte gelten bereits seit dem Jahr 2010", erklärte sie.
Für Kontroversen sorgte am Donnerstag der Beschluss des Bundeskabinetts zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, mit der Diesel-Fahrverbote erschwert werden sollen. Damit würden "bundesweit einheitliche Regeln für Verkehrsverbote eingeführt", erklärte das Bundesumweltministerium von Svenja Schulze (SPD).
Der Gesetzentwurf stellt demnach unter anderem klar, dass Verkehrsverbote bei "geringeren" Stickstoffdioxid-Belastungen bis zu einem Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel "in der Regel nicht erforderlich sind". In diesen Gebieten sei davon auszugehen, dass der europarechtlich vorgegebene Wert von 40 Mikrogramm unter anderem durch die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen wie Nachrüstungen für Dieselbusse und Software-Updates eingehalten werden könne.
"Diese geplante Gesetzesänderung beweist erneut, wie die Bundesregierung, wenn es darauf ankommt, achselzuckend über die Gesundheit der Menschen in den Städten hinweg geht", kritisierte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.
Dass in Essen nun auch Teile einer Autobahn von Diesel-Fahrverboten betroffen seien, sei "eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung", erklärte die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion Ingrid Remmers.
"Jetzt treffen die Fahrverbote auch das Ruhrgebiet und damit eine zusammengewachsene Region, in der Millionen von Menschen tagtäglich zur Arbeit pendeln", kritisierte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Oliver Luksic. Millionen Diesel-Fahrer seien "Opfer der Planlosigkeit" der Bundesregierung".
(P.Vasilyevsky--DTZ)