Marktmacht von Superstar-Firmen bremst die Lohnentwicklung
Die Marktmacht von sogenannten Superstar-Firmen, die sich die Digitalisierung zunutze machen, geht zu Lasten der Löhne. Zwischen 2008 und 2016 entgingen Arbeitnehmern in den hiesigen Dienstleistungsunternehmen durch eine zunehmende Konzentration weniger Firmen potenzielle Lohnzuwächse von insgesamt elf Milliarden Euro, wie die Bertelsmann-Stiftung in einer am Montag veröffentlichten Studie berechnete. Am stärksten betroffen seien die Verwaltung und das Gesundheitswesen, aber auch die Logistikbranche und der Großhandel.
Entscheidend für diese Entwicklung sei die Arbeitsweise von Superstar-Firmen in digitalisierten Märkten, erklärten die Autoren. Bekannt ist das von US-Großkonzernen wie Apple und Google, großen Supermärkten und Kaffeehausketten. Diese Firmen erarbeiteten sich ihren Wettbewerbsvorteil zunächst durch "bessere Qualität oder niedrigere Kosten".
Die Stiftung untersuchte die Wirkung der wachsenden Unternehmenskonzentration in Deutschland. Auch hierzulande stellten die fraglichen Firmen ihre Produkte und Dienstleistungen oft "besonders effizient" und dank digitaler Technologie mit "vergleichsweise wenig Mitarbeitern" her.
Die Folge: Produktivität und Gewinne steigen rasant, die Lohnentwicklung kann damit jedoch nicht mithalten. Durch die Dominanz einiger Firmen leidet zudem der Wettbewerb und benachteiligte Unternehmen müssten Kosten senken - auch über die Löhne.
Die Digitalisierung wirke dabei "als Katalysator", heißt es in der Studie: Der Rückgang der Lohnquote, also der Teil des Wachstums, der an die Arbeitnehmer geht, sei in stark digitalisierten Märkten teils doppelt so hoch, dort könnten große Datenmengen ausgenutzt werden.
Je nach Branche gab es Einbußen von bis zu 2192 Euro brutto pro Arbeitnehmer in dem untersuchten Zeitraum - zum Beispiel bei der öffentlichen Dienstleistungsbranche, zu der etwa die öffentliche Verwaltung, das Gesundheitswesen und Sozialversicherungen gehören. Pro Monat würde das umgerechnet gut 20 Euro pro Beschäftigtem entsprechen. Bei Logistikunternehmen lagen die Einbußen demnach bei rund 1600 Euro, in der Rechtsberatung bei 963 Euro und im Großhandel bei 940 Euro über den gesamten Zeitraum.
Der Studie zufolge gibt es aber auch Profiteure - so konnten die Finanzdienstleister Lohnsteigerungen um 2846 Euro verzeichnen, bei den Energieversorgern waren es 1107 Euro. Keine wesentlichen Auswirkungen auf die Löhne sahen die Autoren in Industriebranchen, etwa in der Elektroindustrie und im Maschinenbau. Dort sind die Tarifbindung stärker und die Digitalisierungseffekte schwächer.
Langfristig könne sich die Dominanz der Superstar-Firmen als schädlich für Innovationen und Wachstum erweisen, erklärte einer der Autoren, Dominic Ponattu. Die Studie warnt auch vor der Gefahr wachsender Ungleichheit. Auswege daraus könnten etwa Vermögensbeteiligungen von Mitarbeitern und Vernetzungsinitiativen für ländliche Gebiete sein.
Für die Studie verglich die Prognos AG im Auftrag der Bertelsmann Stiftung für jede Branche Veränderungen der Unternehmenskonzentration und der Lohnquote. Entgangene Lohnzuwächse auf Branchenebene und je Beschäftigten seien hypothetisch danach berechnet worden, wie sich die Lohnquote und Entgelte entwickelt hätten, wenn die Unternehmenskonzentration unverändert geblieben wäre.
(P.Vasilyevsky--DTZ)